So wie die Welt, vernetzt, komplex, skurril und überraschend, ist auch dieser Roman, den man beim Autor kaufen kann (80 Euro pro Band, weil selbst fotokopiert und handgebunden, alle vier Bände kosten also 320 Euro, wiegen 8 1/2 Kilo, und damit sind gerade die Herstellungskosten gedeckt) oder in der Tessmann- Bibliothek ausleihen, oder Daniel Oberegger besuchen gehen und dort lesen. Auch Guido Moser hat ein Exemplar in Stilfser Brücke.
Um ihrer Mutter zu entkommen, fährt Natalie nach Wien und studiert bei Professor Paule die Farne. Diese Flucht wächst sich in ein die ganze Welt mitnehmendes Chaos aus. Die Mutter schickt Natalie ihre Großtante Juventia, Äbtissin aus Norwegen, hinterher. Zugleich mit dieser treten auch russische Geheimagenten in Natalies Leben, die für ihren General Michail Michelajowich Micholopowsky eine mechanische Fliege verfolgen, welche Juventia in Natalies Studentenwohnung versteckt hat.
Die Mutter läßt nicht locker: Sie hofft auf die Heirat Natalies mit dem Farnsuppenfabrikanten Mister Moritz, dessen Suppe jedoch nur als Klebstoff taugt. Natalie weiß auch diese Gefahr abzuwenden und bekommt sogar eine Audienz beim Kaiser im Land der Farne. Zusammen mit dem Zeitforscher Ivan und mit Professor Paule entdeckt Natalie über die beiden Mönche Jingel und Jangel, daß das Land der Farne durch ei-nen Zauberbann von der Menschenwelt getrennt war, der nun, nach 9000 Jahren, zu wirken aufhört.
Um zu verhindern, daß Farnien durch sein plötzliches Auftauchen die Menschenwelt entzweireißt, wird die Oper "das rosarote Plüsch-huhn" aufgeführt, bei der der 9000 Jahre alte Zauberbann erneuert werden soll und Natalie, um endgültig dem Chaos der Menschenwelt zu entrinnen, ins Land der Farne zieht.

Leseproben aus "Natalie im Land der Farne"

Warum ich meine Celloschüler hinausgeworfen habe

 

Meine beiden Celloschüler habe ich hinausgeworfen. Sie konnten nichts, trieben nur Unfug, übten daheim nie. Ich bin erleichtert, sie endlich los zu sein.

 

Zu Hause sagen sie niemandem davon, daß ich sie hinausgeworfen habe. Am nächsten Dienstag gehen sie mit ihren Cellos, wie jeden Dienstag, los - aber natürlich nicht mehr zur Cellostunde, sondern auf den Flohmarkt, wo sie ihre Instrumente gegen eine Fiedel, ein Banjo und einen Hut eintauschen. Dann stellen sie den Hut auf und spielen, was das Zeug hält.

 

Man könnte meinen, Sie könnten doch gar nichts, übten daheim nie, trieben nur Unfug. Ich war immer erschöpft, als die Stunde endlich zu Ende war, doch Schon nach kurzer Zeit haben sie den Dreh heraus - man sieht gleich, daß sie während der Cellostunden sehr wohl etwas gelernt haben, daß sie es sich aber dort offensichtlich, vielleicht um mir das Unterrichten noch mehr zu verdrießen, niemals anmerken haben lassen. Sie haben sich die ganze Zeit verstellt, hatten dabei sogar ihren Spaß, taten immer, als brächten sie nicht einen Ton zusammen.

 

Auf dem Flohmarkt aber sind sie nicht mehr zu bremsen. Sie spielen einen Ragtime nach dem anderen und manch ein Passant läßt einige Münzen in den aufgestellten Hut fallen. (Daß der Musikunterricht nicht ganz umsonst gewesen ist, freut mich zwar - noch froher bin ich allerdings, sie endlich los zu sein.)

 

Meine beiden Celloschüler sind verschlagene, gerissene Gauner - und sie treiben es immer bunter: Wie die Leute nach ein, zwei Stunden der flotten Musik überdrüssig geworden, keinen Groschen mehr springen lassen, verfallen die beiden Ragtimespieler auf eine List, um zu weiterem Geld zu kommen. Sie geben das ganze bisher bekommene Geld in ein Portemonnaie und dann laufen sie damit einem vornehmen Herrn hinterher und rufen: "Entschuldigung, mein Herr! Sie haben ihre Geldtasche verloren!"

 

Der Herr bleibt erschrocken stehen, dreht sich um und zieht dann erleichtert sein eigenes Portemonnaie aus der Hosentasche.

 

"Nein, nein", sagt er, "hier ist sie ja. Jemand anderes muß sie verloren haben", und dabei hält er seine eigene Geldtasche ganz locker in seiner Hand. Einer der Ragtimespieler schnappt sie sich schnell, und der andere wirft dem Herrn im gleichen Moment das eigene, prall gefüllte Portemonnaie zu, dieser fängt es instinktiv auf und der Ragtimespieler schreit sofort wie am Spieß, auf den verwirrten Herrn deutend: "Haltet den Dieb! Haltet ihn! Er hat mein Geld gestohlen, zu Hilfe!"

 

Einige Passanten drehen sich schon zu ihnen um, da läßt der vornehme Herr in Panik die Geldtasche der Ragtimespieler fallen und läuft davon, ganz blaß im Gesicht und völlig durcheinander. Die Halunken aber nehmen das Geld des Bestohlenen, werfen seine Dokumente in den nächsten Briefkasten und schlagen sich im Gasthaus lachend die Bäuche voll.

 

Nachdem sie sich sattgegessen haben, müssen die beiden Ragtimespieler so sehr über zwei glatzköpfige Mönche lachen, die soeben ins Lokal gekommen sind, daß sie beide vom Stuhl fallen. Die zwei buddhistischen Mönche gehen mit ihren langen, orangen Gewändern direkt auf die beiden von ihren Stühlen gefallenen Ragtimespieler zu, die sich immer noch vor lauter Lachen die Bäuche halten und stellen sich freundlich vor: "Ich bin Jingel", sagt der eine Mönch, "und ich bin Jangel", ergänzt der andere Mönch, "und wir beide möchten endlich die weltlichen Genüsse kennenlernen, die es in Samsara, dem ewigen Jammertale, geben soll, und vor denen wir stets so streng gewarnt worden sind", fügen die beiden Mönche wie aus einem Munde hinzu.

 

Die Ragtimespieler können sich nicht fassen vor lauter Lachen, sie rollen auf dem Boden hin und her, schütteln sich, grölen vor Vergnügen und haben einen Riesenspaß.

 

Endlich, nach einer ganzen Weile, während der die Mönche ruhig zugesehen und abgewartet haben, können sich die Ragtimespieler aufrappeln. Sie meinen, sie seien wohl gerade die Richtigen zu so etwas - und sie wollen die Mönche gerne in sämtliche weltliche Genüsse einweihen, denn was zu zweit Spaß mache, sei zu viert erst richtig lustig, schon in diesen ersten Minuten seit ihrem Zusammentreffen haben sie ja gelacht wie selten einmal - und dann nehmen sie die Mönche mit in den Lunapark.

 

Beim Achterbahnfahren kreischen die Ragtimespieler begeistert und werfen Arme und Beine in die Luft, in den Kurven aber beugen sie sich weit aus ihren Wägelchen und winken den Mädchen zu, die unten stehen und zusehen. Die Mönche halten sich fest, wo sie nur können, sind bleich, reißen weit die Augen auf, es wird ihnen schlecht und sie fürchten sich. Am Ende der Fahrt müssen sie sich sofort erbrechen und haben weiche Knie.

 

Da nehmen sie die Ragtimespieler mit ins Hurenviertel der Stadt. Sie schäkern mit den Freudenmädchen, kneifen sie in den Hintern, schauen ihnen unter die Röcke und handeln den Preis herunter, stecken in den Bars den Gogo- Girls Geldscheine ins Höschen, trinken ein Bier nach dem anderen, torkeln dann besoffen durch die Straßen und küssen sich gegenseitig vor Rührung. Jingel und Jangel aber schauen sich stets furchtsam um, weichen vor den Huren zurück, schlagen schüchtern die Augen nieder, erröten, schämen sich für sich und auch für ihre Begleiter und vom vielen Bier bekommen sie bloß Kopfweh.

 

Nach einer recht kurzen Nacht in einem viertklassigen Hotel nehmen die beiden Ragtimespieler die Mönche wieder mit, diesmal ins Gasthaus. Mit dem verbliebenen Geld ihrer gestrigen Beute bestellen sie Fleisch und Fisch, Süßes und Saures, Scharfes und Mildes, die Spezialitäten des Hauses, die erlesensten Weine, Coca Cola und raffinierte Desserts. Ohne viele Skrupel essen und trinken sie alles durcheinander, nagen die Knochen alle genußvoll ab, lutschen an den Gräten der aufgegessenen Forelle, trinken die Weinflaschen leer, löffeln gierig die Nachspeise, beweisen zwar keine Tischmanieren, dafür aber einen gesegneten Appetit, rülpsen zufrieden und spritzen am Ende glücklich mit der Bratensouce herum, furzen laut und ekstatisch, pfeifen der Kellnerin hinterher. Die Mönche haben keinen Hunger, sind noch benommen von den gestrigen Bieren, bekommen vom vielen Essen Bauchweh, können hinterher im Park nicht schlafen, wo man eine kurze nachmittägliche Verdauungspause einzulegen geruhte, weil die Ragtimespieler so laut und vor allem asynchron schnarchen.

 

Mit dem allerletzten Rest der gestrigen Beute gehen die vier ins Kino - in einer Hand ein Sackerl Popcorn, in der anderen ein Schächtelchen mit Bonbons. Die beiden Ragtimespieler rufen immer "Juhui!", wenn ein Schuß fällt, sie reißen laut unanständige Witze bei der Liebesszene und werfen mit dem Popkorn im Saal herum, um die anderen Kinobesucher zu ärgern. Jingel und Jangel zucken bei den Schüssen zusammen, weinen, wenn der Gangsterboß von der Polizei endlich gestellt und erschossen wird, weil sie ihn den ganzen Film über für den Helden gehalten hatten, der alles noch einrenken und zum Guten wenden werde und schämen sich, daß ihre Gefährten so viel Unfug treiben und lärmen.

 

"Jetzt sind wir pleite", sagen die Ragtimespieler, "am besten gehn wir zum Flugplatz, dort kann man in kurzer Zeit leicht das große Geld machen - nur Mut! Kommt mit, ihr beiden buddhistischen Jammerlappen, vielleicht vergnügt ihr euch ja doch noch."

 

Und Jingel und Jangel vergnügen sich wirklich - zum ersten Mal, wo sie mit den beiden Gaunern zusammen sind: Die Ragtimespieler haben sich und ihren Hut aufgestellt und spielen, was das Zeug hält, auf ihren Instrumenten, die sie die ganze Zeit über stets mit sich herumgeschleppt haben. Jingel und Jangel hören mit grenzenloser Bewunderung zu, doch bald ist der Hut voll Münzen und die Musiker sind des Spielens schon müde.

 

"Jetzt müßt ihr aufpassen, wie's gemacht wird", sagen sie zu den Mönchen und wiederholen sogleich ihren Geldtaschentrick - und einige Diebstähle später ist der Moment gekommen, wo auch die Mönche eine Geldtasche erbeuten sollen. Jingel hält das Portemonnaie hoch und sagt: "Entschuldigen Sie, meine Dame, Sie haben Ihre Geldtasche verloren."

 

Die Dame dreht sich um, kramt in der Handtasche, findet ihre Geldbörse endlich, sagt erleichtert, es müsse sich um das Portemonnaie von jemand anderem handeln, da will ihr Jangel auch schon die Geldbörse aus der Hand reißen - und Jingel wirft ihr sein Portemonnaie hin - aber die Frau fängt es nicht auf, hält auch ihre eigene Geldbörse fest und läßt sie sich nicht nehmen, sondern ruft den Polizisten, der genau hinter Jingel steht und diesen nun festnimmt, und Jangel läuft erschrocken fort - geradewegs in die Arme eines weiteren Polizisten. "Bringen wir sie auf's Revier", sagt er zu seinem Kollegen.

 

Da stürzt einer der beiden Ragtimespieler direkt auf die beiden Polizisten zu, der andere jagt ihm hinterher und ruft: "Haltet den Dieb, haltet ihn auf", und auch er huscht zwischen den beiden Polizisten durch, die sich erstaunt umdrehen und die Mönche losgelassen haben. In diesem Augenblick haben die Ragtimespieler aber schon einen Haken geschlagen, rennen wieder auf die Polizisten zu, ein jeder packt einen der verwirrten Mönche blitzschnell beim Arm und zerrt ihn weiter zum Fließband hin, auf dem das Fluggepäck durch den Metalldetektor befördert wird. Sie springen über alle Koffer dahin, schlüpfen durch den Detektor, laufen auf den freien Flugplatz hinaus, entreißen vier japanischen Managern, die gerade als letzte in ein startbereites Flugzeug einsteigen wollen, ihre vier Flugbillette, stoßen sie zurück, erklimmen selbst die Stiege zum Flugzeug, und bevor die Stewardeß, die alles mitangesehen hat, protestieren oder etwas sagen kann, drückt ihr einer der beiden Ragtimespieler schnell einen buchstäblich atemberaubenden Kuß auf ihren lippenstiftroten Schmollmund. Der andere Ragtimespieler schließt die Flugzeugtür von innen, die überraschte und ratlose Stewardeß fügt sich und weist den beiden Mönchen und auch den beiden Ragtimespielern die Plätze der vier japanischen Manager zu, welche draußen bleiben, und so kommt es, daß Jingel und Jangel mit den beiden Ragtimespielern in der ersten Klasse direkt nach Tokyo fliegen, über den Nordpol hinweg.

 

Es erübrigt sich wohl zu sagen, daß sich unsere schrägen Spitzbuben wieder einmal königlich amüsieren, wie sie sich von der Stewardeß einen Imbiß nach dem anderen bringen lassen und ihr dabei jedesmal zuzwinkern und zugleich obszöne Gesten machen, daß sie sich dauernd gegenseitig an- und abschnallen, in geheuchelter Unwissenheit das Rettungsgummibot aktivieren, welches sich selbst aufbläst, die Sauerstoffmasken ausprobieren, welche bei dieser Gelegenheit von oben herunterpendeln, sämtliche anderen Fluggäste in Panik versetzend, die glauben, es handle sich um einen ernst zu nehmenden Notfall, und daß sie auch sonst quietschvergnügt auf ihren Sitzplätzen herumturnen und den Reisenden vor, neben und hinter sich alle möglichen dummen Streiche spielen, während die beiden Mönche Jingel und Jangel auch an ihrem unverhofften Flug nach Tokyo keine rechte Freude haben. Sie sorgen sich, wie es weitergehen soll, fürchten, das Flugzeug könne möglicherweise abstürzen und in diesem Falle hätten sie ja angesichts der vergangenen Stunden, die sie gemeinsam mit den Ragtimespielern verbracht haben, eine sehr unerfreuliche Wiedergeburt zu erwarten; das in den letzten beiden Tagen angesammelte schlechte Karma sei sicher enorm und habe sie in ihrem spirituellen Werdegang mindestens um einige, wenn nicht um hunderte von Reinkarnationen zurückgeworfen und so weiter.

 

Die Ragtimespieler lassen sich aber ihre gute Laune nicht nehmen, und wie das Flugzeug mit der erschöpften Stewardeß endlich in Tokyo landet, nehmen sie den ersten Bus mitten hinein in die wimmelnde Großstadt und kurz darauf sind sie schon in einem der enormen Kaufhäuser damit beschäftigt, Unfug zu treiben.

 

Jingel und Jangel, die beiden verunsicherten buddhistischen Mönche, deren Gesichter einen immer verdrosseneren Ausdruck annehmen, können nicht anders, als weiterhin bei den Ragetimespielern zu bleiben und mit ihnen zu gehen, sind sie doch ohne diese verloren in einer Metropole, wie es Tokyo ist, ohne das Japanische, Englische oder sonst etwas zu verstehen. Trübsinnig und in sehr wagen Gedanken über Samsara, das sie immer weniger begreifen, je mehr sie danach trachten, es kennenzulernen, und das Dharma, welches all das zusammenhalten und dem allen einen Sinn geben sollte, versunken, gehen sie hinter den beiden frivolen Spitzbuben her und lassen die Köpfe hängen, finden an nichts Gefallen, nichts erscheint ihnen beachtens- oder begehrenswert und sie haben Kopfweh, sind müde und erschöpft - und natürlich tun sie mir leid, auch wenn ich weiß: Hätte ich meine beiden Celloschüler nicht hinausgejagt, wäre ich es jetzt, der so müde und erschöpft wäre und Kopfweh hätte.


Das Begräbnis der Mütter

 

Mitten in der Stadt gibt es einen Spielplatz mit Schaukeln, Wippen, Kletternetz, Sandkasten und Rutschbahn. Im Fußballfeld gleich daneben spielen die Buben, auch den Spielplatz mit Kindergeschrei erfüllend, das herübertönt, aber der Spielplatz ist leer, bis auf zwei kleine Mädchen, die im Sandkasten mit ihren Puppen spielen.

 

Sie heißen Natalie, die schon Sieben ist, und Maja, die nächsten Monat - sie hat zu ihrem Leidwesen genau einen Tag vor Weihnachten Geburtstag - Sieben wird. Ihre Mütter heißen Elke und Olga und gehen fast jeden Tag zum Friseur; in dieser Zeit dürfen Natalie und Maja auf den Spielplatz.

 

Dort spielen die beiden Mädchen meistens ein Spiel, das sie "Begräbnis der Mütter" nennen, und das in den verschiedensten Varianten, doch immer mit dem gleichen Ausgang gespielt wird:

 

"Gib mir die Puppe von dir, dann kriegst du meine", schlägt Maja vor.

 

"Gut", sagt Natalie, tauscht mit Maja die Puppen aus, "deine Puppe wäre meine Mutter."

 

Maja ist einverstanden: "Dann wäre deine Puppe Olga."

 

"Und ich bin der Herr Friseur", fügt Natalie hinzu.

 

"Gut", sagt Maja, "dann bin ich die Polizei."

 

Natalie zeichnet ein Rechteck in den Sand: "Das wäre das Geschäft vom Friseur. Hereinspaziert, meine Damen!"

 

Maja setzt beide Puppen ins Rechteck: "Grüß Gott, Herr Friseur!"

 

FRISEUR: "Nehmen Sie Platz, gnädige Frau - und Sie können daneben sitzen, bittesehr. Wünschen die Damen einen Haarschnitt?"

 

Maja sagt für die Puppe, die Natalies Mutter Elke sein soll: "Ist doch logisch. Wollten wir ein Schnitzel, wären wir zum Mezger gegangen!", und dann fügt sie für die Puppe, die ihre eigene Mutter Olga sein soll, hinzu: "aber es darf nicht teuer sein, sonst mach' ich einen Riesenskandal."

 

FRISEUR: "Ich muß schließlich auch leben..."

 

OLGA: "Das müssen wir alle - und ob Sie leben geht mich nichts an."

 

ELKE: "Sie haben hier als Friseur zu wirken und nicht als Lebewesen, denn: Auf Ihrem Laden steht: "Friseur" und nichts weiter. Können Sie nicht lesen?"

 

FRISEUR: "Dann fange ich also an: Schnipp, schnapp, schnipp, schnapp."

 

ELKE UND OLGA: "Wurde auch Zeit. Dalli, dalli, hopp, zack zack!"

 

FRISEUR: "Heute bin ich aber zerstreut! Schnipp, schnipp, schnapp, schnapp... Oh, Entschuldigung - ich habe Ihnen aus Versehen den Hals durchgeschnitten - tut es sehr weh?"

 

Maja legt die Olga-Puppe innerhalb des von Natalie gezeichneten Rechtecks flach in den Sand.

 

FRISEUR: "Sie ist tot. Das tut mir aber leid!"

 

ELKE: "Passen Sie das nächste Mal besser auf!"

 

FRISEUR: "Sehr wohl, meine Dame Ich mache also weiter: Schnapp, schnipp, schnipp, schnapp..."

 

ELKE: "Wurde auch langsam Zeit. Wird's bald? Hopp, dalli dalli!"

 

FRISEUR: "Heute - ich weiß nicht, aber heute bin ich wirklich sehr, sehr zerstreut, schnipp, schnipp, schnipp, schnipp, zack!

 

O! Das tut mir aber leid - jetzt habe ich auch der anderen Kundin aus Versehen den Hals durchgeschnitten.

 

Das Blut schmiert mir den ganzen Boden voll. Heute muß ich noch putzen, sonst kommen keine Kunden mehr. Und was soll ich mit den Leichen tun?"

 

Maja legt die Elke-Puppe neben der Olga-Puppe flach in den Sand innerhalb des von Natalie gezeichneten Rechtecks: "Jetzt kommt die Polizei: Lalü - lala, lalü - lala... mal nachschauen, ob beim Friseur alles in Ordnung ist."

 

FRISEUR: "Oh - guten Tag, Herr Polizist!"

 

POLIZEI: "Ich bin eine Polizistin, sehen Sie das nicht?"

 

FRISEUR: "Ach? Verzeihung - Sie müssen wissen: Ich bin heute sehr, sehr zerstreut."

 

POLIZEI: "Was ist das für ein Sauhaufen hier? Warum liegen Ihre Kunden auf dem Boden herum?"

 

FRISEUR: "Diese beiden Kundinnen sind leider gestorben."

 

POLIZEI: "Sie sind tot? Warum denn?"

 

FRISEUR: "Ich habe ihnen vor lauter Zerstreutheit den Hals durchgeschnitten."

 

POLIZEI: "Was Sie nicht sagen... ja, jetzt seh' ich es auch: überall so viel Blut... Sie müssen saubermachen, sonst kommen keine Kunden mehr."

 

FRISEUR: "Zu Befehl, Frau Polizistin, ich wische gleich alles auf."

 

POLIZEI: "So ist's recht: Sie haben den Schaden angerichtet, also müssen Sie ihn auch wieder gutmachen."

 

Die Buben haben genug vom Fußballspielen und gehen weg. Es wird ganz still auf dem Spielplatz.

 

FRISEUR: "Komme ich jetzt ins Gefängnis?"

 

POLIZEI: "Wieso?"

 

FRISEUR: "Weil ich diesen beiden Kunden aus Versehenden den Kopf abgeschnitten habe."

 

POLIZEI: "Nein, nein, beruhigen Sie sich - wir alle machen Fehler, nicht? So ein kleines Mißgeschick könnte wohl jedem passieren."

 

FRISEUR: "Sie sind eine sehr verständnisvolle Polizei."

 

POLIZEI: "Ich weiß, ich weiß..."

 

FRISEUR: "Und was soll ich mit den Leichen tun?"

 

POLIZEI: "Ich rufe einen Tischler, der soll die Särge machen."

 

"Dann wäre ich jetzt der Tischler", sagt Natalie. Maja erwidert: "Gut. Ich suche dir das Holz."

 

Die beiden Mädchen laufen auf dem ganzen Spielplatz umher und finden bald die geeigneten Stöckchen. Dann gehen sie damit zum Sandkasten zurück.

 

Natalie baut als Sargtischler kleine, rechteckige Zäune um die beiden Puppen auf, indem sie einmal die horizontalen, dann die vertikalen Stöckchen übereinanderlegt, die sich so jeweils an den vier Ecken der beiden Rechtecke kreuzen. Zuletzt kommt noch als Sargdeckel eine Reihe von weiteren nebeneinandergelegten Stöckchen darüber.

 

POLIZEI: "Jetzt hole ich noch die Feuerwehr, die soll die Särge abholen - und den Pfarrer."

 

Natalie gräbt zwei Löcher und rundherum zeichnet sie lauter Kreuze in den Sand: "Das ist der Friedhof."

 

Maja sagt: "Ich bin die Feuerwehr: Tatü, tatü, tatü, tatü - Grüß Gott! Wo sind die Leichen? Oh - was für schöne Särge! Wir bringen sie gleich zum Friedhof. Ist der Pfarrer schon da?"

 

NATALIE: "Er wartet schon bei den Gräbern."

 

Es beginnt dunkel zu werden, denn wir sind mitten im November, und das abendliche Dämmerlicht läßt die Szene, wo Maja als Feuerwehr behutsam erst den einen, dann den anderen "Sarg" samt Puppe in den Friedhof trägt, sehr gespenstisch wirken.

 

Maja sagt "Tatü, tatü" und stellt die Särge neben den von Natalie gegrabenen Löchern auf.

 

"Ich wäre die Pfarrerin", sagt Natalie ernst. "Und ich bin die Trauergemeinde", erwidert Maja noch ernster.

 

PFARRERIN: "Meine Brüder und Schwestern, das Begräbnis beginnt!"

 

TRAUERGEMEINDE: "Amen."

 

Natalie als Pfarrerin und Maja als Trauergemeinde setzen sich gegenüber in den Sand, zwischen ihnen sind die beiden offenen Gräber mit den beiden Puppen. Die beiden Mädchen sehen sich bei den folgenden Worten mit weit geöffneten Augen an ohne zu blinzeln, und sie reden ganz langsam und ernst mit gesenkter Stimme, den Sätzen etwas Geheimnisvolles verleihend, das der Novemberabendstimmung auf dem leeren und stillen Spielplatz entspricht.

 

PFARRERIN: "Diese beiden Mütter sind verstorben."

 

TRAUERGEMEINDE: "Wie konnte das passieren?"

 

PFARRERIN: "Der Friseur hat ihnen aus Versehen den Kopf abgeschnitten - es tut ihm sehr leid."

 

TRAUERGEMEINDE: "Da kann man jetzt gar nichts mehr machen."

 

PFARRERIN: "So ist es. Ein Mißgeschick kann immer passieren."

 

TRAUERGEMEINDE: "Die beiden Kinder der Mütter sind jetzt ohne Eltern. Seltsam - sie weinen nicht einmal."

 

PFARRERIN: "Sicher sind sie so schockiert, daß sie nicht einmal weinen. Das ist der Schock."

 

TRAUERGEMEINDE: "Diese armen, armen Kinder! Dabei ist nicht einmal sicher, daß Olga eine wirkliche Mutter ist - obwohl sie das immer behauptet hat. Sie schaut oft so seltsam von der Seite her, so schaut keine Mutter."

 

Die Pfarrerin schubst erst den einen, dann den anderen Sarg samt Puppe ins Loch daneben, die Trauergemeinde schüttet die Löcher danach mit Sand zu.

 

PFARRERIN: "Asche zu Asche, Staub zu Staub."

 

TRAUERGEMEINDE: "Alleluja!"

 

PFARRERIN: "In Ewigkeit. Amen."

 

Olga, die Mutter von Maja, und Elke, die Mutter Natalies, kommen vom Friseur zurück, um ihre Töchter beim Spielplatz abzuholen. Olga sagt sogleich entrüstet zu Maja: "Du bist wieder ganz schmutzig, voller Sand."

 

Elke frägt ihre Tochter Natalie: "Wo hast du denn deine Puppe?"

 

NATALIE: "Sie ist gestorben - da haben wir sie begraben."

 

ELKE: "Wo?"

 

NATALIE: "Im Sandkasten."

 

Elke geht hin, gräbt die beiden Puppen wieder aus: "Die schönen Puppen - jetzt sind sie voller Sand.

 

Olga gibt Maja eine Ohrfeige: "Die teure Puppe einfach einzugraben - sowas! Schäm dich!"

 

Olga nimmt Maja, Elke Natalie an der Hand und die beiden Mütter gehen zornig mit den Töchtern nach Hause.

Eine wichtige Nachricht (Geschichte mit den russischen Generälen)

 

Es regnete sturzartig, die steile Straße zum Haus des Generals Pjotr Parfenowich Pawlow war nicht asphaltiert, sondern schlammig und rutschig, sodaß Stepan Snergirjow Swiridowich, der es sehr eilig hatte und zu Fuß unterwegs war, immer wieder ausrutschte und einige Male sogar in den Schlamm fiel. Stepan Snergirjow Swiridowich, auch er ein General, war im Gegensatz zu Pjotr Parfenowich infolge einer seltenen Krankheit ausgezehrt, spindeldürr und hohlwangig, während der General Pjotr Parfenowich selbst sehr robust gebaut war und gutes Essen keinesfalls zu verschmähen geruhte. Pjotr Pawlows rundes Gesicht verlieh ihm einen gutmütigen Ausdruck, der gar nicht zu seinem herrschsüchtigen Charakter paßte.

 

Der dürre General Stepan Snergirjow fiel wieder einmal der Länge nach in den Schlamm, fluchte auf russisch, rappelte sich wieder auf und hastete weiter, denn er hatte Pjotr Parfenowich eine wichtige Nachricht zu überbringen und jede Sekunde konnte kostbar sein.

 

Endlich stand er vor dessen Haus und klopfte mit aller Kraft am Eingangstor, und er mußte eine ganze Weile lärmen und toben, ehe ihm Pjotr Pawlow selbst die Türe öffnete, ihn, schlammbedeckt, wie er war, von oben bis unten vorwurfsvoll musterte und endlich widerwillig hereinbat. Gleich darauf wurde Stepan Snergirjow von seinem Gastgeber mit mürrisch - befehlendem Tonfall gefragt, was er denn wolle, er war aber vorerst so aufgeregt und außer Atem, daß er nicht imstande war, etwas Verständliches oder Zusammenhängendes zu sagen, und so sah sich Parfenowich Pawlow gezwungen, dem ungebetenen und vor Erschöpfung zitternden, vor Nässe und Kälte schlotternden, schlammbesudelten und dürren General Stepan Snergirjow Swiridowich, der ja jetzt ganz und gar erbarmungswürdig aussah - und Pjotr haßte nichts so sehr, wie erbarmungswürdige Gestalten, da er sich stets nur für mächtige und einflußreiche Siegernaturen zu begeistern vermochte - einen Sessel anzubieten und abzuwarten, bis jener sich soweit beruhigt hatte, daß er endlich sagen konnte, was er glaubte, so unbedingt und unverzüglich sagen zu müssen - aber dazu kam es noch nicht, denn sobald sich Stepan Snergirjow Swiridowich gesetzt hatte, klopfte es abermals an der Türe.

 

Wieder mußte der General Pjotr höchstpersönlich öffnen, denn er war an diesem Tag alleine zu Hause. Draußen sah er den Wagen des jungen Offiziers Alexej Alexandrowich, aber jener war nicht alleine gekommen, sondern hatte den General Michail Michelaiowich Micholopowsky mitgebracht und einen anderen, ihm unbekannten Menschen, der auf ihn einen ganz neutralen und gewöhnlichen Eindruck machte, sodaß er dessen Anwesenheit fast nicht zur Kenntnis nahm.

 

Bis auf diesen unbekannten Menschen erschienen dem Hausherrn seine neuen Besucher wesentlich interessanter als der armselige Stepan Snergirjow Swiridowich, den er einfach auf dem Sessel, den er ihm hatte anbieten müssen, weil jener so außer Atem gewesen, und es jetzt eigentlich immer noch war, schlottern ließ. Er führte seine neuen, illustern Gäste mit großartigen, gebieterischen Gesten am bibbernden, dürren General Snergirjow vorbei ins Wohnzimmer und überhörte bewußt, daß Stepan Swiridowich immer wieder leise hervorbrachte, es eile und er habe eine höchst wichtige Nachricht, die er aber nur Pjotr Parfenowich, und nur ihm allein, überbringen müsse.

 

Pjotr Parfenowich Pawlow sah selbstgefällig in die Runde und sagte, noch im Stehen: "Nun, meine Herren? Was ist der Grund Ihres Besuches - aber, bevor Sie mit Ihren Ausführungen beginnen, möchte ich noch gern wissen, um jegliche Mißverständnisse von vornherein zu vermeiden: Wer ist der modisch gekleidete Herr, den Sie mir mitgebracht haben? Mit wem habe ich die Ehre?"

 

Michail Michelaiowich Micholopowsky antwortete sogleich: "Sein Name ist Alfred. Er hat Wirtschaft studiert und ist jetzt mein Wirtschaftsberater - und dabei wären wir schon mitten drinnen in einer delikaten Angelegenheit..."

 

Der Gastgeber wandte sich sogleich mit strengem Gesichtsausdruck an Alfred und sprach, den General Michail Michelaiowich Micholopowsky brüsk unterbrechend: "Ich freue mich, endlich Ihre Bekanntschaft machen zu dürfen, Herr Alfred. Ich habe über meine Cousine Warwara Werchowzewa Worochowa schon von Ihnen gehört. Sie ließ sogar verlauten, Sie hätten die Absicht, sie zu heiraten - und ich sage Ihnen gerade heraus, daß ich das nicht billigen werde. Ich bin ein einflußreicher General und kann so manches verhindern. Gegen Sie persönlich habe ich gar nichts, ich sehe Sie ja hier zum ersten Male, und der erste Eindruck sagt mir, daß Sie ein rechtschaffener Mensch sind - und eben weil ich in Ihnen einen vernünftigen Menschen zu erblicken glaube, bin ich ganz und gar der Ansicht, daß ich mit Ihnen am besten Klartext rede.

 

Warwara Werchowzewa Worochowa soll den General Michail Michelaiowich Micholopowsky heiraten und keinen anderen. Dies ist nicht nur für Warwara, Michail und mich ein Vorteil, sondern steht auch im Interesse der militärischen Koordination von Macht und Wirtschaft.

 

Als Wirtschaftsberater von Micholopowsky wissen Sie ja sicher, daß seine Haupteinnahmequelle aus seinen Entdeckungen auf dem Gebiet der chemischen Waffen stammt. Nun, ich bin der unumstößlichen Ansicht, daß Geld allein nicht ausreicht. Ich befehlige die wichtigsten militärischen Einheiten, und nun soll zur Stärkung des Vaterlandes meine Cousine Warwara Werchowzewa Worochowa, welche sozusagen die Seite der Macht vertritt, den General Micholopowsky heiraten, welcher das nötige Kapital zur rechten Handhabe dieser Macht einbringen wird.

 

Daß sie mich nicht unterbrochen haben, bedeutet für mich, daß sie mich verstanden haben, in dem Sinne, als Sie es als ein Durchschnittsmensch nicht wagen dürfen, durch eine Ehe mit meiner Cousine ein Machtpotential an sich zu reißen, mit welchem Sie absolut nicht zurechtkommen würden. Für Ihr Verständnis werde ich mich erkenntlich zeigen. Sowie Warwara Werchowzewa mit General Michail getraut ist, werden Sie befördert werden, egal, in welchen Bereich Sie gerade tätig sind. Das kann ich selbstredend leicht arrangieren - und an diesem Beispiel sehen Sie auch, was ich unter Macht verstehe."

 

Michelaiowich Micholopowsky fuhr zornig auf: "Ich muß doch sehr protestieren, wie mit meinem Wirtschaftsberater hier umgegangen wird, ganz zu schweigen von meiner eigenen Person. Ich wurde in der Angelegenheit mit Ihrer Cousine Warwara noch gar nicht befragt. Vielleicht hege ich gar nicht die Absicht, sie zu heiraten!"

 

Pjotr Parfenowich war erstaunt: "Aber mein lieber Michail Michelaiowich Micholopowsky! Ich dachte immer, auch Sie würden das als die einzige Möglichkeit..."

 

"Ich bin nicht Ihr lieber Michail Michelaiowich Micholopowsky", fiel ihm dieser gleich zornig ins Wort, "und ich denke, es gibt sehr wohl andere Möglichkeiten. Ich finde, man sollte Ihre Cousine Warwara dem armen Alfred nicht vorenthalten, da ich selbst, der ich im Gegensatz zu Ihnen, mein lieber Pjotr Parfenowich Pawlow, auch menschliche Gefühle zu haben verstehe, zufällig in eine andere Person verliebt bin, die ich auch heiraten werde - ob Sie das nun wollen oder nicht."

 

"Das ist doch...", wollte Pjotr schon aufbrausen, doch Alexej Alexandrowich, der junge Offizier, sprang plötzlich mit hochrotem Kopf auf und rief: "Die Person, welche dieser Micholopowsky heiraten will, das ist meine liebe Maja, mit welcher ich schon verlobt bin. Er hat ihr so teuren Schmuck gekauft, daß ich ein Leben lang sparen müßte, um mir auch nur die Hälfte davon leisten zu können, aber Maja läßt sich von Ihrem Schmuck, Herr Michail Michelaiowich, nicht beeindrucken, auch wenn Sie zehnmal reicher wären!"

 

Michail Micholopowsky war auch aufgestanden und brüllte jetzt zurück: "Das war also der Grund, daß du dich angeboten hast, mich und Alfred mit deinem Auto zum General Pjotr Parfenowich zu bringen!"

 

Der schmächtige Stepan Snergirjow hatte sich inzwischen aufgerappelt und war auch ins Wohnzimmer gekommen, zupfte jetzt den Hausherrn am Ärmel und flüsterte ihm zu: "Herr Pjotr Parfenowich Pawlow, ich muß Ihnen jetzt endlich diese überaus wichtige Nachricht überbringen: Die..."

 

"Du bist immer noch hier?", fuhr Pjotr Pawlow wütend herum, "Mach, daß du wieder ins Vorzimmer kommst! Du kleckerst mir mit deinem Schlamm ja den ganzen Teppich voll - also los, marsch, marsch!"

 

Inzwischen hatten die drei anderen Gäste heftig und laut zu diskutieren begonnen. "Ruhe, Ruhe", bellte der General Pjotr Parfenowich, "das ist ja gar nicht zum Aushalten hier! Disziplin, meine Herren!"

 

Der junge Offizier Alexej wandte sich sogleich Pjotr Pawlow zu und sagte mit heftiger Erregung: "Ich werde Maja heiraten, ob Sie mich dann befördern lassen oder nicht, dann wird unserem Michail gar nichts andres übrig bleiben, als Ihre Cousine zu nehmen. Ich bin auf Ihrer Seite."

 

"Sie werde ich befördern, und wie!", entgegnete Parfenowich gerührt, "Sie werden einen Posten bekommen, der so hoch ist, daß sie gar noch nicht wissen, daß es diesen Posten gibt. Hören Sie, Michail Michelaiowich Micholopowsky? Maja ist schon vergeben - und Sie Alfred - sind Sie auch auf meiner Seite? Verzichten Sie nun auf Warwara Werchowzewa oder nicht? Na? Auch Sie könnten ja befördert werden, sogar noch diese Woche!"

 

"Ich weiß nicht recht...", antwortete Alfred schüchtern, da rief Pjotr sogleich erbost aus: "So stecken Sie also mit Micholopowsky unter einer Decke? Ihr plant ein Komplott gegen mich, wie?"

 

"Herr Pjotr Parfenowich Pawlow, es tut mir leid, Sie in Ihrer sicher überaus wichtigen Auseinandersetzung mit den illustren Herren hier zu stören", hörte man Swiridowich aus dem Vorzimmer flehen, "doch ich muß Ihnen wirklich eine sehr, sehr wichtige Mitteilung machen: Die..."

 

"Gleich, Herr Stepan Snergirjow, gleich", schrie Pjotr, außer sich vor Zorn, "aber nicht jetzt. Erst muß ich diesen Knallkopf von einem Michail Michelaiowich Micholopowsky zur Vernunft bringen."

 

"Knallkopf? Zu mir? Herr Pjotr Parfenowich Pawlow, ich wollte Sie eigentlich mit einer bedeutenden Summe bedenken", brüllte der empörte General Michelaiowich zurück, "sozusagen als Entschädigung, daß ich Ihre Cousine nicht heiraten werde, aber das werde ich mir nun doch sehr gut überlegen - und was Sie betrifft, Herr Alexandrowich - Sie werden noch Ihr blaues Wunder zu erleben haben. Auch ich habe meine Einflüsse - vielleicht sind Sie morgen schon nur mehr ein einfacher Soldat", und er stürzte gleich nachdem er das gesagt hatte, aus dem Saal, am immer noch schlotternden General Snergirjow vorbei ins Freie und ließ die Türe demonstrativ mit einem lauten Knall ins Schloß fallen.

 

Alexej Alexandrowich rief ihm hinterher: "Das könnte Ihnen so passen... Meine Maja läßt sich für Geld nicht einfach kaufen", dann wandte er sich aber sogleich besorgt an Parfenowich mit der Bitte: "Helfen Sie mir! Er wird seine Drohung doch nicht wahr machen?"

 

"Seien Sie beruhigt", meinte Pjotr Pawlow großartig, "gegen Sie ist er machtlos, wenn ich auf Ihrer Seite stehe."

 

Alfred war nun auch aufgestanden und bemerkte schüchtern: "Ich werde jetzt wohl auch gehen, Herr General."

 

"Bitte, lieber Herr General Pjotr Parfenowich Pawlow...", begann Snergirjow im Vorzimmer wieder mit zittriger Stimme, doch dieser rief nur grob: "Maul halten, da hinten!", und stellte sich dann Alfred in den Weg: "Ich lasse Sie nicht weg von hier, ehe Sie mir versprochen haben, meiner Cousine Warwara Werchowzewa Worochowa künftig nicht mehr den Kopf zu verdrehen."

 

"Ich kann nichts dafür -", sagte Alfred erschrocken, "sie hat sich in mich verliebt."

 

Pjotr Parfenowich lächelte böse, ohne Alfred vorbeizulassen: "In eine graue Maus wie Sie? Das wollen Sie mir weismachen? Seien Sie vernünftig, legen Sie als Wirtschaftsberater ihrem Micholopowsky nahe, wie günstig eine Hochzeit mit meiner Cousine Warwara Werchowzewa in finanzieller Hinsicht wäre, mein Versprechen bezüglich der Beförderung, die ich erwirken werde, sobald sie mit ihm verheiratet ist, erneuere ich hiermit. Nun, was sagen Sie dazu?"

 

"Ich weiß nicht recht...", meinte Alfred kleinlaut und der General donnerte los: "Hergottnochmal, Sie sind wirklich ein rückgradloser Aal! Entscheiden Sie sich endlich!"

 

"Also gut. Ich werde tun, wie Sie sagen - im Rahmen des Möglichen", flüsterte Alfred kleinlaut und mit gesenktem Kopf.

 

"Na endlich. Sie sind doch ein ganzer Kerl, ich habe mich in Ihnen nicht getäuscht. Auf Wiedersehen."

 

Alfred und Alexej Alexandrowich verabschiedeten sich beide höflich und gingen wieder in den Regen hinaus, Pjotr Pawlow begleitete sie und sagte dann zu Stepan Snergirjow: "Sie sind ja immer noch da! Was wollen Sie denn?"

 

"Ich... ich...", stotterte dieser.

 

"Na, was denn?"

 

"Jetzt habe ich ganz vergessen, was ich Ihnen sagen wollte."

 

"Dann scheren Sie sich zum Teufel! Raus!", rief Parfenowich lachend und schob den dürren General Snergirjow mit seinen kräftigen Händen zur Tür hinaus, während dieser immer wieder beteuerte: "Aber es war sehr wichtig..."

 

Der General Pjotr schlug die Türe mit aller Gewalt zu - und durch die geschlossene Türe hörte er noch, wie der arme General Stepan Snergirjow Swiridowich, vom heftigen Zuschlagen des Haustors erschreckt, wieder der Länge nach in den Schlamm fiel.

Per i lettori italiani:

 

Un libro sovvenzionato dalla Provincia Autonoma dell'Alto Adige naturalmente dev'essere, per forza, comprensibile anche per un lettore di lingua italiana. Quindi esso quì trova alcune regole fondamentali per poter autotradurrsi il romanzo "Natalina nel paese delle felci" in italiano:

 

1) A quasi tutte le parole tedesche basta aggiungere una "o" alla fine per capirli:

 

alt - alto

bunt - il punto

cool - il culo

das Bad - il patto

das Bett - il petto

das Bier - la biro

das Brot - il brodo

das Buch - il buco

das Cap - il capo

das Eck - ecco

das Faß - il vaso

das Gel - il gelo

das Hotel - Othello

das Korn - il corno

das Maß - il maso

das Mehl - il melo

das Moor - il moro

das Mus - il muso

das Ohr - l'oro

das Roß - rosso

das Schiff - lo schifo

das Spiel - lo spillo

das Tier - il tiro

das Top - il topo

das Tor - il toro

der Ball - il palo

der Fang - il fango

der Fisch - il fisco

der Fuß - fuso

der Gatte - il gatto

der Kiel -un chilo

der Lord - l'orto

der Mann - la mano

der Mond - il mondo

der Rahm - il ramo

der Rotz - rozzo

der Sohn - il sonno

der Tag - il tacco

der Ton - il tonno

die Brut - brutto

die Furt - il furto

die Kante - il canto

die Lunge - lungo

die Matte - il matto

die Mitte - il mito

die Mure - il muro

die Pest - il pesto

die Post - il posto

die Torte - il torto

die Zähre - lo zero

kalt - caldo

nett - netto

viel - il filo

Wien - il vino

 

N.B. Questa regola vale anche per la maggior parte delle parole inglesi, per es. "street" vuol dire "stretto"...

 

 

2) Nel caso che la regola 1 non funzionasse si può provare ad aggiungere una "a" invece della "o":

 

das Band - la banda

das Goal - la gola

das Lamm - il lama

das Leder - l'edera

das Lot - la lotta

der Bär - la pera

der Kahn - la canna

der Rabbi - la rabbia

der Riß - la rissa

der Schal - la scala

der Teer - la terra

die Bar - la bara

die Galle - la gala

sehr - la sera

voll - la folla

 

Quì due brevi esempi:

"Das Hotel ist fertig" significa "L'Othello è di Verdi"

"Der Rabbi macht ein Schiff" significa "la rabbia fa schifo"

 

 

3) Attenzione però. Ogni tanto ci cono delle eccezioni:

 

 

das Kaff - il caffè

der Mord - la morte

die Karotte - la carozza

 

 

4) All'incontrario, invece, per tradurre cioè dall'italiano in tedesco, bisogna togliere la "a" o la "o" finale ed aggiungervi invece le due lettere tipicamente tedesche "en":

 

 

caro - der Karren

di rado - die Ratten

diverso - die Fersen

esso - das Essen

fermati! - die Fermaten

il becco - das Becken

il bello - bellen

il fango - fangen

il gelo - gellen

il lago - das Laken

il lampo - die Lampen

il mago - der Magen

il mito - mieten

il muro - murren

il muso - die Musen

il patto - die Paten

il prato - der Braten

il tonno - die Tonnen

il toro - die Toren

il viso - die Wiesen

l'arte - die Arten

l'afa - der Hafen

l'arma - die Armen

l'ente - die Enten

la bara - die Barren

la bora - bohren

la canna - die Kannen

la moto - die Motten

la spada - der Spaten

la stella - die Stellen

la stufa - die Stufen

lo sparo - sparen

poco - die Pocken

vago - der Wagen

 

Anche quì un breve esempio:

"Il terrone matto ha sparato" in tedesco diventa "Der ohne Matten hat gespart"

 

 

5) Anche quì ci sono tre eccezioni

 

 

il sale - der Saal

la diva - der Divan

la polizza - die Polizei

Japanische Manager

 

 

 

Auf dem großen, lauten Flugplatz ist heute viel los.

 

Rrrrrr! Knack...

 

Pschhht! Pschhht! Plaff! Pschhht! Plaff! Ssst...t...t...

 

Eine ölige Ansagerstimme sagt: "Meine sehr verehrten Damen und Herren, hier und jetzt beginnt die Geschichte von den vier japanischen Managern. Bitte schnallen Sie sich an und stellen Sie das Rauchen ein, danke."

 

Vier japanische Manager stehen atemlos mitten auf dem Flugplatz und schauen verdutzt der soben gestarteten Maschine nach. Glotz, glotz.

 

Sogleich rufen sie mit ihren Handys die Direktion der Fluggesellschaft an, doch dort versteht niemand Japanisch, und auch das japanische Englisch der Manager hilft ihnen nicht weiter, weil es darum geht, Beschwerden entgegenzunehmen.

 

Der graue Asphalt des Flugplatzes wird noch um eine Spur grauer.

 

Son Fukïjoko Takezukito schaut zu Son Yokifuthi Tamishika hinüber und lächelt, wie das nur japanische Manager imstande sind: "Hihihi...".

 

Der Flug aus Novosibirsk kommt mit einer Verspätung von sechs Stunden in 18 Minuten an.

 

Wir bitten die Reisenden nach São Paulo um Geduld.

 

Der Flug nach Bangkok startet mit einer Verfrühung von 59 Minuten, weil der Pilot die Verfrühung von einer Stunde für unzulänglich hält.

 

Eine ganze Weile lang geschieht nichts, und die vier schwarz gekleideten japanischen Manager stehen mit ihren schwarzen Aktentaschen auf dem weiten und grauen Flugplatz herum.

 

Iiiiiaaaaaoooooaaaaiiiiiiiiiih! Der häßliche Klang einer Sirene schwebt als Schallwelle und Signal durch die Luft.

 

Yokifuthi Tamishika schaut zu Son Yokabïshi Giratamitso hinüber, selber lächelnd, und Giratamitso lächelt Son Fukijama Zukitoketa zu.

 

YOKIFUTHI TAMISHIKA: "Ich habe seit 24 Stunden nicht mehr geschlafen."

 

Der Anschlußflug nach Montreal in Kanada hat eine leichte Verspätung von einigen Stunden.

 

Plötzlich deutet Fukijama zum Flughafen hinüber, wo jemand direkt auf sie zukommt, und er sagt auf japanisch: "Da kommt jemand... O nein! Es ist der Exportabteilungsleiter der Firma Krug. Ich durfte diesen Flug nicht versäumen. Schon seit meinem ganzen Aufenthalt in Europa ist er mir auf den Fersen! Ich arbeite seit 11 Wochen ohne Unterbrechung durch wie ein Sklave - und nun das."

 

YOKABÏSHI GIRATAMITSO: "Ich bin seit 5 Tagen nicht einmal dazugekommen, etwas zu essen oder auf's Klo zu gehen."

 

Fukïjoko Takezukito lächelt Yokabïshi Giratamitso zu, wie das eben nur japanische Manager können, und Yokifuthi Tamishika verbeugt sich, auch höflich lächelnd, vor Fukijama Zukitoketa.

 

Giratamitso aber ruft plötzlich auf japanisch aus: "O nein! Dort! Das ist das Auto der Finanz, das da auf uns zufährt. Ich habe die japanischen Plexiglasdeckel für die Firma Krügli nicht versteuert. Ich durfte diesen Flug nicht versäumen - gestern haben sie mich um ein Haar geschnappt - und jetzt haben sie mich wieder eingeholt. Was soll ich nur machen?"

 

Plötzlich erschrickt auch Yokifuthi Tamishika: "O Schreck! Dort drüben kommt schon die Polizei mit Blaulicht angefahren... Um die Kunkurrenz auszuschalten habe ich eine deutsche Chipfirma in Brand gestekt - meine Firma in Japan verkauft seither der Julius Krug - Uhrenfirma die Computerchips. Ich lebe seit 26 Jahren ausschließlich für meine Firma. Ich durfte diesen Flug nicht versäumen - doch jetzt ist alles aus."

 

Der Flug aus Helsinki kommt mit einer Verspätung von 47 Minuten an.

 

Auch Fukïjoko Takezukito erschrickt: "Und dort! Aus der vierten Richtung kommt Olga auf uns zu. Dieses furchtbare Weib hab' ich hier in Europa kennengelernt, über eine Kontaktanzeige. Ich wollte ihr ihr Geld abknöpfen, dann nach einigen flotten Ficks wieder nach Japan fliehen, doch stattdessen hat sie mir mein Geld abgeknöpft, und nun kann ich nicht einmal mehr ohne das Geld entkommen, denn das Flugzeug ist schon gestartet."

 

Entsetzt rufen die vier Manager gemeinsam aus: "Wir sind umzingelt!", doch das hilft ihnen auch nicht weiter, denn die Polizei, Olga, die Finanzer und der Exportabteilungsleiter der Firma Krug kommen immer näher.

 

Im Hintergrund kurvt ein verirrter Schulbus umher.

 

Da wirft sich Yokabïshi Giratamitso vor Yokifuthi Tamishika auf die Knie und ruft: "Rette mich von den Finanzern! Deine Aktentasche ist voller Dollars, die du von der Julius Krügel Uhrenfabrik bekommen hast für die Computerchips deiner Firma in Japan."

 

"Was kannst du mir dafür bieten?"

 

"Ich habe eine wunderschöne Tochter mit Namen Minni Giratamitso, und die sollst du heiraten. Meine Firma in Japan verkauft der Julius Krügli - Firma die Uhrendeckel aus Plexiglas - heiratest du meine wunderschöne Tochter, so bauen wir, nachdem du die Finanzer, welche immer näher und näher kommen und schon fast da sind, bestochen haben wirst, ein Wirtschaftsimperium auf."

 

Tamishika nickt und ruft: "Hai! Also gut!"

 

Auch Fukïjoko Takezukito wirft sich vor Fukijama auf die Knie und fleht: "O Son Fukijama Zukitoketa, rette mich vor dieser fürchterlichen Olga! Ich bringe Krug- Rohuhren nach Japan, kaufe dort von Giratamitso besonders günstig die Plexiglasdeckel, versehe die Uhren mit Armbändern, die ich herstelle, und den Plexiglasdeckeln, die ich der Julius Krügel- Firma in Österreich verkaufe. Ich habe gehört, du kannst Karate! Hau Olga über den Haufen und rette mich so vor diesem Ungetüm!"

 

"Was kannst du mir dafür bieten?"

 

"Ich habe eine ganz junge und zierliche Tochter mit Namen Kiki Takezukito und die sollst du heiraten. Du verkaufst, wie ich weiß, österreichische Krügel- Uhren in Japan. Ich könnte sie dir direkt und daher billiger geben. Heiratest du meine zierliche Tochter, so bauen wir, nachdem du Olga mit deinem Karate außer Gefecht gesetzt haben wirst, welche aber immer näher und näher kommt und fast schon hier ist, ein Wirtschaftsimperium auf."

 

Fukijama nickt und ruft: "Hai! Also gut!", doch sogleich wirft er sich vor Giratamitso auf die Knie: "O tapferer Son Yokabïshi Giratamitso! Rette mich vor dem Exportabteilungsleiter der Firma Krug, von dem ich die Uhren, die ich in Japan verkaufe, beziehe! Er wollte meine Tochter Tsinding Zukitoketa heiraten, ich aber habe in Wirklichkeit gar keine Tochter - ich bin ja nicht einmal verheiratet. Meine Tochter Tsinding, die der Exportabteilungsleiter der Firma Krug geheiratet hat, ist nämlich der neueste von Yamaha hergestellte Sex- und Haushaltsroboter, Modell "Diva". Der Exportabteilungsleiter der Firma Krug hat bis vor einer Woche nichts bemerkt und war mit mir und meiner vermeintlichen Tochter sehr zufrieden, als plötzlich ihre Batterien leer waren und er den ganzen Schwindel bemerkte. Gleich ist er hier und ich weiß keinen Rat."

 

"Ich habe zwar eine zweite Tochter mit Namen Origami Yokifutshi, und diese könnte ich dem Exportabteilungsleiter der Firma Krug versprechen..."

 

Ssssssssssssschhhh - Katablong! Das Flugzeug nach Kuba ist soeben abgestürzt. Wir bitten um Verständnis.

 

Inzwischen sind der Exportabteilungsleiter der Firma Krug, Olga, die Polizei und die Finanzer bei den vier japanischen Managern angelangt. Zukitoketa, Tamishika und Takezukito rufen verzweifelt: "Zu spät!"

 

Die internationale Verzweilung bei der Gepäcksaufgabe hat einen Höhepunkt erreicht. Die Klagerufe der ihre Gepäcksstücke Vermissenden dringen, ist Wind und Wetter günstig, vom Flughafengebäude bis hier mitten auf den Flugplatz heraus.

 

Wir bitten um Verständnis.

 

Takezukito springt in die Höhe und schreit: "Olga!"

 

Tamishika duckt sich und wimmert: "Die Polizei!"

 

Der Kioskbesitzer verkauft einem Flugreisenden ein Exemplar einer Zeitschrift.

 

Giratamitso versteckt sich hinter Zukitoketa und ruft: "Die Finanzer!"

 

Das Grau des Asphalts des Flugplatzes wird um eine Spur weniger kräftig: Brzzzzl! Brrzz!

 

Fukijama Zukitoketa zittert und flüstert entsetzt: "Der Exportabteilungsleiter der Firma Krug!"

 

Der Flug aus Novosibirsk bekommt zu seiner Verspätung von sechs Stunden in 18 Minuten eine weitere Verspätung hinzu.

 

"Wir sind verloren", jammern die vier japanischen Manager gleichzeitig. Da öffnet Yokifuthi Tamishika seinen vor Dollars überquellenden Koffer vor den Finanzern. Er überreicht ihnen das ganze Bestechungsgeld: "Das könnt ihr haben, wenn ihr nur Son Yokabïshi Giratamitso laufen läßt", sagt er in einem zwar sehr japanischen Englisch, aber die Finanzer verstehen es gut und schaufeln sich das viele Geld in ihre Taschen. Zoschhhhhh!!! Uuuooooooh!

 

Yokabïshi Giratamitso beschließt, gerührt von der Selbstlosigkeit des Yokifuthi Tamishika, seinerseits Fukijama Zukitoketa zu retten und zeigt dem Exportabteilungsleiter der Firma Krug ein Foto von seiner zweiten, auch blutjungen und hübschen Tochter Origami und verspricht ihm in einem fast zur Unkenntlichkeit japanisierten Englisch ihre Hand, wenn er die Angelegenheit mit Son Yokabïshi Giratamitso und dem Sex- und Haushaltsroboter "Diva" von Yamaha vergesse.

 

Pling! Der Exportabteilungsleiter der Firma Krug versteht wunderbarerweise alles, denn er nickt zufrieden.

 

Wir bitten die Reisenden nach São Paulo um Geduld.

 

Fukijama Zukitoketa brüllt: "Haaachaa!", und schmettert Olga mit einem gezielten Karateschlag zu Boden. Baddabomm! Rawumm!! Sie bleibt regungslos liegen.

 

Son Yokifuthi Tamishika wirft seine Arme in die Luft und ruft verzweifelt: "Und wer rettet mich vor der Polizei?", doch diese interessiert sich gar nicht für ihn, denn einer von ihnen nimmt Fukijama Zukitoketa fest, der gerade vor ihren Augen Olga niedergeschlagen hat und die anderen verhaften die Finanzer, die sich vor ihren Augen von Yokifuthi Tamishika haben bestechen lassen. Flop! Wusch. Da wird Tamishika von einem überwältigenden Ehrgefühl gepackt. Boing. Er öffnet seinen inzwischen von Dollars geleerten Aktenkoffer, greift unter den doppelten Boden ins Geheimfach, holt eine Pistole mit Schalldämpfer hervor und - Bamm!!!, erschießt den Exportabteilungsleiter der Firma Krug, um die Aufmerksamkeit der Polizei von Son Fukijama Zukitoketa, der ihn ja vor dieser gerettet hat, indem er Olga niederstreckte, wieder auf sich zu lenken.

 

Ha!

 

Es funktioniert. Die Polizisten lassen die Finanzer und Fukijama Zukitoketa los und eilen dem fliehenden Tamishika hinterher, der mit noch rauchendem Colt über den weiten Flugplatz läuft. Tappatap Tappatappatap! Hop, hop, hop...

 

Der Eisverkäufer hat das Vanille - und das Erdbeereis bereits aufgebraucht. Es gibt nur noch Himbeer, Schokolade, Sahne und Banane.

 

Nun wird aber auch der von Son Yokifuthi Tamishika gerettete Yokabïshi Giratamitso von einem überwältigenden Ehrgefühl gepackt. Er wirft sich vor Fukijama Zukitoketa auf die Knie und bettelt: "O Son Fukijama Zukitoketa! Schluchz! Der Exportabteilungsleiter der Firma Krug, dem ich meine zweite Tochter Origami versprochen habe, ist tot. Schau! Das ist ihr Foto. Lechz. Ist sie nicht wunderschön? Du kannst sie heiraten, wenn du Son Yokifuthi Tamishika, der dort drüben von der Polizei fast schon eingeholt worden ist, vor der inzwischen fast zur Gewißheit gewordenen Verhaftung retten kannst."

 

Zukitoketa nickt, ruft: "Hai! Also gut!", öffnet nun auch seinen schwarzen Aktenkoffer, schaltet in dessen Innerem einen Mechanismus ein, Bamm! Bamm! Bzz - Boom, raddabammmmmmm!! Biiiiiiep!!! Biiiiiiep!! Tap! Tap! pff pff, zielt und wirft den Aktenkoffer genau zwischen den fliehenden Son Yokifuthi Tamishika und die Polizisten, während sich "Superdiva", das aller- allerneueste Modell eines Turbosexroboters von Yamaha selbsttätig aus den in diesem Aktenkoffer befindenden Einzelteilen zusammenbaut. Plof! Fltsch...

 

Zzz!

 

Rattabommrattabomm. Kaum landet der schwarze Aktenkoffer des Son Fukijama Zukitoketa vor den Füßen der verdutzt abbremsenden Polizisten, ist die automatische Selbstmontage auch schon abgeschlossen und "Superdiva", der aller- allerneueste Sexroboter von Yamaha steht in obszöner Pose mitten auf dem grauen Asphalt des Flugplatzes, klimpert mit den Wimpern, wackelt mit den Hüften und verführt sämtliche Polizisten, einen nach dem anderen.

 

Rabamm, Gadusch, Badomm!

 

Karack!

 

Wusch! Wock! Patsch!

 

Die internationale Verzweiflung bei der Gepäcksaufgabe hat einen neuen Höhepunkt erreicht. Der Flug nach Rom erfolgt demnächst. Wir bitten alle Reisenden um Geduld.

 

Yokifuthi Tamishika und Yokabïshi Giratamitso flüchten mit dem ersten, per Handy herbestellten Taxi, die Finanzer fahren mit ihren Autos, wo sie schon wegen der Aufteilung des von Yokifuthi Tamishika erhaltenen Bestechungsgeldes zu streiten beginnen, auf und davon. Gaddabosch!! Fukïjoko Takezukito und Fukijama Zukitoketa warten auf das nächste Taxi - da erleidet der Computer im Inneren der "Superdiva" einen Systemfehler und das aller- allerneueste Modell des Turbosexroboters von Yamaha bewegt sich nicht mehr. Rabang!! So verlieren die Polizisten schnell die Lust und nehmen daher wütend die Verfolgung wieder auf. Mit gezogenen Maschinenpistolen stürzen sie sich auf die beiden japanischen Manager, die sich noch im Fluggelände befinden. Bamm, bamm, bamm! Da wird Son Fukïjoko Takezukito von einem überwältigenden Ehrgefühl erfaßt. Er stellt sich mutig vor Fukijama Zukitoketa und fängt mit seinem Körper die Kugeln der wahllos schießenden Polizisten auf. Hnnnng - arghhh. Blutüberströmt sinkt er zu Boden, direkt neben die Leiche des Exportabteilungsleiters der Firma Krug.

 

Iiiiiiiiiegh! Das Quietschen der aufsetzenden Reifen eines Flugzeugs übertönt die anderen Geräusche.

 

Wir bitten die Reisenden nach São Paulo um Geduld.

 

Dem geistesgegenwärtigen Fukijama Zukitoketa gelingt es in der Zischenzeit, "Superdiva", den Turbosexroboter von Yamaha wieder in Gang zu bekommen und während sich die Polizisten wieder begeistert diesem letzten Schrei moderner Robotik zuwenden, kommt endlich auch das zweite Taxi und bringt Son Fukijama Zukitoketa in Sicherheit. Wroooom...

 

Der Flug aus Santiago in Chile kommt zu früh.

 

Katazakrasch!!!!

Das rosarote Plüschhuhn

 

Brief an Graf Ingo von Trottelbusch und seine Frau Uta von der Kruppelheide:

 

Geschätzte Frau von der Kruppelheide,

sehr geehrter Herr von Trottelbusch!

 

Nachdem ich erfahren habe, daß Sie an einer Oper von mir interessiert sind, welche in Ihrem Privatpalast aufgeführt werden soll, möchte ich mich erst einmal herzlichst bei Ihnen für diesen Kompositionsauftrag bedanken. Sie baten mich in Ihrem freundlichen Brief um Vorschläge, den Inhalt oder das Libretto meiner Oper betreffend, und ich schicke Ihnen hiermit einen ersten dramaturgischen Vorschlag.

 

Mir schwebt eine fünf-aktige Handlung vor, die auf dem Lande spielt. Herrliche Wälder und Wiesen sind auf sanften Hügeln ausgebreitet, frohe Morgenstimmung, da und dort steht ein friedlicher Bauernhof, eine Kirche vielleicht, ein paar Gasthäuser - doch die Idylle trügt. Nach der Ouvertüre, in welcher das eben beschriebene malerisch- beschauliche Landleben gezeigt wurde, vielleicht auch von einer Ballettgruppe dargestellt (etwa der Bauer mit seinen glücklichen Hühnern) tritt der Bürgermeister auf. Er ist formell gekleidet, sein schwarzer Anzug paßt schlecht in die bäuerliche Umgebung. Er geht mit strengem Schritt auf den Bauern zu und sagt:

 

BÜRGERMEISTER:

Das dulde ich auf keinen Fall,

das Rosa auf dem Hühnerstall!

Entfernen Sie die rosa Farbe auf der Stell,

Was Sie hier treiben, das ist illegal und kriminell.

Will man auf teurem Heimatboden etwas bauen,

erfordert dieses einen höchst genauen -

natürlich beglaubigten,

genehmigten,

vidimierten Plan,

bevor man auch nur anfangen darf und kann:

 

Man muß den Landschaftsschutz befragen,

die neuen Kubaturen sind im Katasteramt einzutragen.

Es besteht zudem der Plan,

eine Erdgasleitung durch Ihren Grund zu führen,

deshalb ist auch vor jeglicher Initiative

der Bauleitplan zu konsultieren.

Hühnerzucht hat unauffällig zu sein!

 

Die vier Lautsprecher auf dem Giebel Ihres Hühnerstalles wären geeignet, eine frohe Doktrin, eine ernste Botschaft, eine sakrosankte Wahrheit zu verkünden, nicht haltloses, verworrenes Gegacker. Haben Sie schon mit dem Pfarrer gesprochen? Wer garantiert uns, daß die Hennen nicht die Sonntagsruhe gefährden? Der Bauernbund hat eine Sitzung anberaumt, Ihr Hühnerstall steht schon auf der Tagesordnung. Sie werden doch nicht hoffen, eine Mehrheit zu finden?

 

BAUER: Es muß aufhören, daß man sagt, die Hühner sind blöd! Seit ich ihnen Hölderlin vorlese: "Hyperion an Bellarmin: "War sie nicht mein, ihr Schwestern des Schicksals, war sie nicht mein?" ", ist ihr Sinn gewandelt, Ihr Verhalten wie ausgewechselt. Habe ich sie nicht selbst die Farbe ihrer Behausung wählen lassen, indem ich ihnen Futter in verschiedenen Freßnäpfen reichte, in Blau, in Gelb, in Rot, in Schwarz, in Grün, in Rosa?

 

Etwas sage ich Ihnen: Der rosa Napf war immer leer! Sie haben rosa gewählt, meine Hennen, wenn Sie das verstehen!!

 

Was die Lautsprecher anbelangt: Ich wollte, ich mußte meinen Hennen Gehör verschaffen. Ihre Stimmen sollen auch draußen zu hören sein, denn: Meine Hennen haben Wesentliches zu sagen. Wenn Sie dafür kein Verständnis aufbringen: Auch die Legeleistung der Hennen hat sich verdoppelt.

 

BÜRGERMEISTER: Was gehen mich Ihre Hühner an? Sie müssen sich an die Vorschriften halten!

 

BAUER:

Sie hoffnungsloser Bürokrat,

elendiglicher Stinksoldat,

geh hin woher du bist gekrochen,

du blöder, müder Sitzungsknochen!

Ausgestopfter Hering, Kuhscheißetreter,

ausgezehrt dummer Paragraphenanbeter!

Blödian! Hirnochs! Arschloch, papierenes!

Ötzi! Neandertaler!

Flaschenfurzer!

 

BÜRGERMEISTER:

Und wollen Sie im Guten es nicht einseh'n, nicht verstehen,

so werde ich aufs Schnellste mich gezwungen sehen

mit fester Hand gleich einzugreifen und mich zu bequemen

die nötigen Schritte schleunigst einzuleiten und zu unternehmen:

Damit nun niemand mehr den rosa Hühnerstall betrachtet

werden die Hühner sämtlich all gemordet und geschlachtet.

Hölderlin wird verboten und zensiert,

die Lautsprecher werden abmontiert,

dann wird der Hühnerstall gleich grau gestrichen

und so den heimatlichen Normen angeglichen-

und dann... dann werd' ich den Beschluß verfassen,

ihn letzten Endes abreißen zu lassen.

 

Wegen Ehrbeleidigung werden Sie zudem verklagt,

mit Schimpf und Schande aus dem Dorf verjagt.

Sie wissen ja nicht, mit wem Sie sich da angelegt -

und auch ihr Rasen- der ist völlig ungepflegt.

Der Bürgermeister geht erzürnt weg, Vorhang, Ende des ersten Aktes.

 

 

Ich bitte Sie, mir mitzuteilen, ob Ihnen Stoff und Thematik gefallen, sodaß ich mich gegebenenfalls gleich an die Arbeit machen kann. Einstweilen verbleibe ich mit herzlichsten Grüßen, Ihr Komponist

 

Mr. Osvaldo,

Kontrabassist des kaiserlichen Orchesters

aus dem Land der Farne

 

 

Der zweite Brief von Mr. Osvaldo:

 

Geschätzte Frau von der Kruppelheide,

sehr geehrter Herr von Trottelbusch!

 

Mit Freuden erhielt ich Ihren zweiten Brief, in welchem Sie mich ermunterten, das von mir vorgeschlagene Libretto in Angriff zu nehmen. Ich schicke Ihnen hiermit auf Anfrage des geschätzen Herrn Ingo den Inhalt des zweiten und dritten Aktes nebst dem Klavierauszug einer Arie des Bauern (die Rolle des Bauern singt ein Tenor, der Bürgermeister ist ein hoher Sopran, als Mann verkleidet, die schöne Touristin hingegen ist ein tiefer Baß, als Frau verkleidet). Zudem kann ich Sie, Frau Uta, beruhigen: Ich werde die Geschichte sicher gut ausgehen lassen, die Handlung zum vierten und fünften Akt schicke ich Ihnen, wenn ich sie mir fertig ausgedacht habe.

 

Im zweiten Akt wird gezeigt, wie sich der Bauer grämt. Er ist zerstreut und von trüben Gedanken geplagt. Er versucht gerade, in seiner gemütlichen Bauernstube einen Vanillepudding zu machen.

 

BAUER:

Heute gibt's Pudding!

Auf der Packung steht: "Drei Eßlöffel Zucker mit Puddingpulver in den Topf. Milch unter ständigem Rühren hinzugeben."

Auf der Milch, da steht: "In den Falz greifen, auseinanderziehen"- danebengeschlatzt

Klöllchen vermeiden, rühren, rühren...

Knöllchen zerdrücken, rühren, rühren...

Jetzt - jetzt kocht der Pudding, ich werde ihn rühren, bis er fertig ist.

Jetzt ist er fertig. Nun in die Form gegossen.

Stehenlassen bis er abkühlt.

 

Jetzt ist er kalt, stürzen.

Was klirrt denn da?

Meine Brille! Wie ist sie in den Pudding gekommen? In die Waschmaschine damit!

Jetzt werde ich den Pudding essen. BÄÄÄH!

Versalzen.

Die drei Löffel waren zuviel; oder ist die Milch sauer gewesen?

Hätte ich ihn nicht anbrennen lassen, hätte er sicher gut geschmeckt.

 

(Link, um die hierzu komponierte Musik zu hören)

 

Draußen hupt jemand. Der Bauer läßt seinen Pudding stehen und öffnet die Tür. Es ist die wunderschöne Touristin. Sie hat lange, rote Haare und ist in einem roten Sportwagen angekommen. Ihr rotes Kleid flattert aufreizend im Wind. Sie haucht dem Bauern zu:

 

TOURISTIN: Ich bin über den oberen Weg gekommen. Sei unbesorgt, es wird alles wieder gut.

 

Dritter Akt: Die Touristin im Hühnerstall läßt sich von den Hennen beraten. Die Hennen lesen sich gegenseitig Majakovsky und Hölderlin vor.

 

HUHN 1:

 ...Mein Dichten

 füllte mir nie

 die Taschen

 mit Rubeln -

 oder Möbeln mein Haus.

 Mit einem Hemd,

 das frisch gewaschen,

 ich sage es ehrlich,

 komme ich aus...

 

HUHN 2: In lieblicher Bläue blühet vor dem metallenem Dache der Kirchthurm. Den umschwebet Geschrei der Schwalben, den umgiebt die rührendste Bläue. Die Sonne gehet hoch darüber und färbet das Blech, im Winde aber oben stille krähet die Fahne.

 

HUHN 1:

 ...in lichter

 Zukunft

 im Zentral-

 Komitee,

 über der Bande

 poetischer

 Diebe und Kriecher,

 erheb ich

 als Ausweis der KP...

 

TOURISTIN: Wie kann man verhindern, daß der Bürgermeister diesen Hühnerstall abreißen läßt?

 

HUHN 4: Schenk' dem Bürgermeister ein rosarotes Plüschhuhn!

 

TOURISTIN: Ob das hilft?

 

HUHN 4: Es wirkt gewiß.

 

HUHN 2: Wenn einer unter der Glocke herabgeht, jene Treppen, ein stilles Leben ist es, weil, wenn abgesondert so sehr die Gestalt ist, die Bildsamkeit herauskommt dann des Menschen. Die Fenster, daraus die Glocken tönen, sind wie Thore an Schönheit.

 

Der dritte Akt, das Zentrum der Komposition, soll musikgeschichtlich allumspannend sein. Ich denke an eine simultane Aufführung von einer romantischen Chorkomposition, von "Stele di diotima" aus Bruno Madernas "Hyperion" und den dazu- und hineinkomponierten Passagen der Texte von Hühnern und Touristin. Gleichzeitig sollen aus den Lautsprechern weitere Literaturzitate ertönen, ähnlich wie im Requiem von Bernd Alois Zimmermann.

 

In der Hoffnung, Ihren Erwartungen zu genügen, verabschiede ich mich mit den herzlichsten Grüßen, Ihr Komponist

 

Mr. Osvaldo,

 

Komponist und Kontrabassist

 

 

Der dritte Brief:

 

Geschätzte Frau von der Kruppelheide,

sehr geehrter Herr von Trottelbusch!

 

Bei meinem letzten Besuch bei Ihnen konnte ich Ihnen über die Dispositionsänderungen, die Komposition der Oper betreffend, berichten. Der Form halber möchte ich das Gesagte kurz schriftlich niederlegen. Wie ich schon in meinem vorigen Brief mitteilen konnte, habe ich für den dritten Akt die Kompositionstechnik der Kollage gewählt. Zu den schon aufgezählten Texten und Musiken will ich nun hauptsächlich Werke verwenden, die selber stark mit Zitaten arbeiten: Den dritten Satz aus Berios Symphonie und "Musique pour le suppers du roi Ubu" von Zimmermann. Auch diverse weitere Texte von Novalis (Hymnen an die Nacht), Dostojewsky (Großinquisitor), James Joyce (Ulysses), Gottfried Benn (Statische Gedichte, Trunkene Flut), Lean Damas, G. Brooks, Paul Vezey, Ezra Pound, (Canto LXXIX) will ich verwenden. Formal gesehen gedenke ich diesen Mittelteil in einer auf das Musikalische bezogenen Technik des "stream of consciousness" zu gestalten. Es soll großartig werden, und ich möchte mir genügend Zeit nehmen, all dieses Neue in das rechte musikalische Verhältnis zu setzen.

 

Hier der Inhalt aus dem vierten und letzten Akt:

 

HUHN 3:

Luchs, hüte dich vor den Dornranken, O Luchs,

O Luchs,

Kythera,

hier sind Luchse und das Klingen der Crotale

 

O Luchs,

Luchs,

Ein Staubflirren von altem Laub

 

Der Bürgermeister kommt. Er marschiert stolz einher, gefolgt von Baggern und Kriegspanzern, während sich im Orchester Blech und Schlagwerk entfesseln, unterstützt von Chören, Lautsprechern, Projektionen. Die Touristin hat ein rosarotes Plüschhuhn im Arm und stellt sich mutig dem Bürgermeister in den Weg.

 

TOURISTIN:

Der Tourismus geht zu grund',

ist der Hühnerstall nicht bunt.

 

Sie schenkt dem Bürgermeister das rosarote Plüschhuhn, und in diesem Augenblick stehen Bagger, Panzer, Orchester, Projektionen still, nur die Geigen beginnen, eine rührende Melodie zu spielen. Lichtwechsel. Nach einer Weile sagt der Bürgermeister bewegt:

 

BÜRGERMEISTER: Ja, wenn das so ist...

 

BÜRGERMEISTER (beiseite gesprochen):

Wer brach mein Wüten, diesen Wahn?

Das Plüschhuhn hat's allein getan.

Es soll mich nunmehr treu begleiten

in frohen und in schlimmen Zeiten,

in jedem Ausschuß, im Gemeinderat

steh es mir bei mit Rat und Tat.

 

Und auch daheim soll's bei mir wohnen,

ich will es hundertfach belohnen.

 

Fünfter Akt: Idylle, nur noch schöner als am Anfang, diesmal Abendstimmung. Der Bauer sieht mit seinen Hennen der untergehenden Sonne zu.

 

BAUER:

Der Tag gehet zur Neige.

Auf Hof und Hühnerstall und Heimatsamt,

legt sich nun sacht die Dämmerung wie Samt,

man hört die zarte Geige,

während am Horizont der Hahn und der Pfarrer spazieren gehen-

und sie trösten sich,

wir können sie verstehen:

 

Der Hahn empfindet den Sieg seiner demokratischen Hennen als Niederlage, war er doch der einzige, welcher sich stets weigerte, Hölderlin zu lesen und aus dem rosaroten Napf zu kosten, und des Pfarrers Kirchenglocken sind nun auch nicht mehr das einzige, was übers Land zu hören ist.

 

Keiner ärgert sich mehr

über meinen rosa Hühnerstall,

gerettet ist die Ehr,

und beigelegt der Fall.

 

Doch wüßtet ihr, ach, wüßtet ihr nur,

was sich bei meinen Hühnern abspielt: KULTUR!

 

So sagt Hyperion zu Bellarmin: "Frägst du, wie mir gewesen sei um diese Zeit? Wie einem, der alles verloren hat, um alles zu gewinnen."

 

Jetzt lesen die Hühner selbst den Kühen vor und jene lauschen beglückt, und geben bessere Milch.

 

HUHN 2: Giebt es auf Erden ein Maaß? Es giebt keines. Nemlich es hemmen den Donnergang nie die Welten des Schöpfers. Auch eine Blume ist schön, weil sie blühet unter der Sonne.

 

TOURISTIN: Ich komme jetzt jedes Jahr!

 

Ich hoffe, daß die Aufführung gelingen wird und verbleibe abermals mit den herzlichsten Grüßen, Ihr

 

Mr. Osvaldo

Der Motorradfahrer

 

Das Knattern eines näherkommenden Motorrads ist zu hören. Die Maschine hält, ein bärtiger Mensch betritt die Bar mit der Frage: "'Tschuldigen Sie, gibt's hier wo 'ne Tankstelle?"

 

Die schwangere Frau sieht zum Motorradfahrer hinüber, erstarrt und wird blaß. Ein fast unhörbar gezischtes "Joe!" kommt über ihre Lippen. Auch der Motorradfahrer wird blaß, erstarrt und knurrt, ebenfalls kaum hörbar: "Elke!"

 

Stille in der Bar. Die besoffenen Isländer schauen neugierig zu, wie sich die Situation entwickeln wird. Die schwangere Frau greift plötzlich schnell unter den Tresen und holt ein riesiges Nudelholz hervor. Dann geht sie langsam und bedrohlich auf den Motorradfahrer zu, das Nudelholz so fest in der Hand haltend, daß die Knöchel weiß hervortreten: "Du Hund!", zischt sie.

 

"Du wagst es, mir noch einmal unter die Augen zu kommen? Na warte", und sie will sich mit dem Nudelholz gerade auf den Motorradfahrer stürzen, da stammelt dieser, während er hilfesuchend umherblickend zurückweicht, schnell: "Es tut mir leid... es ist mir etwas dazwischengekommen... ich konnte nicht anders, Liebes, versteh doch... jetzt aber wird alles gut...", und ganz unerwarteterweise läßt Elke ihr Nudelholz auf den Boden fallen und wirft sich dem Motorradfahrer schluchzend in die Arme: "Endlich bist du wieder da! O Joe, wie sehr habe ich dich vermißt!"

 

Der Motorradfahrer ruft überrascht: "Ja, Liebes. Ich bin zurückgekommen. Ich kann dir alles erklären, doch erst bringe ich dich fort von hier. Du sollst in dieser Bar am Arsch der Welt doch nicht arbeiten. Setz' dich auf mein Motorrad und ich fahre mit dir in ein neues, besseres und schöneres Leben."

 

ELKE: "Ist das auch wirklich wahr?"

 

JOE: "Aber natürlich. Wie könnte ich jemals so ein himmlisches Geschöpf wie dich belügen?"

 

ELKE: "Ich kann es immer noch nicht glauben."

 

JOE: "Ich auch nicht."

 

ELKE: "Ich habe eine schwere Zeit hinter mir. Endlich bist du wieder da."

 

JOE: "Ja. Kannst du mir Geld geben? Ich muß tanken."

 

ELKE: "Hast du denn gar kein Geld?"

 

JOE: "Nur momentan bin ich etwas knapp bei Kasse."

 

ELKE: "Hier."

 

JOE: "Danke. Komm, wir tanken voll und fahren gleich los."

 

ELKE: "Ja, das wollen wir tun."

 

Gesagt, getan. Elke hat ihre wenigen Habseligkeiten bald beisammen, und innerhalb kürzester Zeit sitzt sie wieder, wie vor neun Monaten, hinterm Motorradfahrer Joe auf dem Sattel, sich an diesen klammernd, um nicht herunterzufallen, spürt die kalte Luft an ihren Haaren zerren und sieht die Landschaft vorbejagen.

 

"Ich kenne da einen tollen Ort", brüllt Joe, doch Elke kann nichts verstehen, da das Motorrad so laut knattert. "Was?", schreit sie ihm ins Ohr.

 

"Ich kenne da einen tollen Ort", brüllt Joe noch lauter, "es heißt Drangajökull."

 

"Wie?"

 

"DRANGAJÖKULL!!"

 

"Ach so."

 

Nach langer Fahrt hält Joe endlich an. "So. Das hier ist Drangajökull", sagt er schlicht und kramt in den vielen Taschen, die an seinem Motorrad befestigt sind, während Elke leicht frierend und die überwältigend schöne Landschaft betrachtend danebensteht. Joe schlägt sein Zelt auf, sucht Holz für ein Lagerfeuer, kocht sich Kaffee darüber in einem ausgebeulten Topf, bettet Elke, die schon die ganze Zeit leichte Wehen hat, in zerfledderte Decken und ist guter Dinge.

 

ELKE: "So fröhlich warst du selten."

 

JOE: "Jetzt sind wir wieder zusammen."

 

ELKE: "Du wirst mich trotzdem bald verlassen."

 

JOE: "Nie mehr."

 

ELKE: "Aber was soll aus uns werden?"

 

JOE: "Ich laß dich nicht im Stich."

 

ELKE: "Au!"

 

JOE: "Was ist?"

 

ELKE: "Aaaaah!"

 

JOE: "Was hast du?"

 

ELKE: "Ich glaube, das Kind kommt..."

 

JOE (stürzt hin): "Ruhig und tief atmen. Hab' ich im Fernseh' gesehen - in der "Schwarzwaldklinik", ich kenn mich aus."

 

ELKE: "Oooooh, aaaaah"

 

JOE: "Ich kann schon den Kopf sehen."

 

ELKE: "Aaaaaaaaah!"

 

JOE: "Nur Mut!"

 

ELKE: "Aaaaaaaaaaah!"

 

BABY: "Waaaaah!"

 

JOE: "Geschafft."

 

BABY: "Waaaaah!"

 

ELKE: "Ist es ein Junge?"

 

BABY: "Waaaaah!"

 

JOE (gibt Elke das Kind in die Arme): "Nein, ein Mädchen. So hübsch - sie gleicht ganz ihrer Mutter."

 

BABY: "Waaaaah!"

 

ELKE: "Wie spät ist es?"

 

JOE (schaut auf die Uhr): "Zwei Minuten vor Elf. Wieso?"

 

ELKE: "Wegen dem Horoskop."

 

BABY: "Waaaaah!"

 

ELKE: "Jetzt müssen wir die Nabelschnur durchschneiden."

 

BABY: "Waaaaah!"

 

JOE: "Hier - mit dem Taschenmesser - kurz und schnell - zack!"

 

BABY: "Waaaaah!"

 

ELKE: "Wenn es ein Junge gewesen wäre, hätte ich ihn Karl genannt, aber wie ich meine Tochter nennen könnte... darüber nachzudenken kam mir gar nicht in den Sinn."

 

BABY: "Waaaaah!"

 

JOE: "Nennen wir sie Susi?"

 

BABY: "Waaaaah!"

 

ELKE: "Um Himmelswillen, nein!"

 

Elke legt das Neugeborene an ihre Brust, der Motorradfahrer kramt aus seinen zahlreichen Reisetaschen Taschentücher und weitere schmuddelige Decken hervor, schrubbt mit den Taschentüchern das Baby ab und hüllt dann die Mutter und das Neugeorene in die vielen Decken ein. Das Baby nuckelt kurz an der Brust der Mutter und schläft gleich ein.

 

JOE: "Dann muß sie Natalie heißen."

 

ELKE: "Ja. Das ist ein schöner Name."

 

JOE: "Wie geht es dir?"

 

ELKE: "Gut. Bin nur ein wenig müde."

 

JOE: "Es ist schon spät."

 

ELKE: "Aber immer noch hell. Ich will nicht mehr lange so hoch am Norden bleiben. Die Sonne geht im Sommer nie richtig unter und im Winter nie richtig auf."

 

JOE: "Morgen fahren wir nach Süden - wenn du willst bis zu den Giraffen nach Afrika."

 

ELKE (seufzt): "Ach, was wird bloß aus uns werden?"

 

JOE: "Wir gründen eine Familie."

 

ELKE: "Wir sind bereits eine Familie, aber du bist ein Landstreicher."

 

JOE: "Jetzt nicht mehr. Morgen suche ich mir eine fixe Arbeit und werde seßhaft."

 

ELKE: "Wirklich?"

 

JOE: "Aber ja. Mit einer Tochter habe ich doch Verantwortung."

 

ELKE: "O Liebster! Es ist schön, so etwas zu hören. Jetzt wirst du immer, immer bei mir bleiben, nicht wahr?"

 

JOE: "Ja, Liebes"

 

Elke schläft mit dem Kind in den Armen friedlich ein, glaubt Joe jedes Wort, hat völliges Vertrauen, ist selig - und wie sie aufwacht, ist der Motorradfahrer schon verschwunden.

Welch ein Tag!

 

Ein Flugzeug stürzt ab, alle retten sich mit Fallschirmen.

Ein Bus hält.

Ein Zug fährt vorüber.

Marianne breitet die Milchstraße darüber.

 

Sie sind gekommen, haben ein kleines, wuscheliges Kind an der Hand genommen.

 

Fehlen sie immer noch? Die stille Meeresbucht, Karl, nur von re-gungslosen Krokodilen bedroht, die roten Liegestühle im Stil der Jahr-hundertwende, der fünfte Saturnenring unter den Augen, die dreiecki-gen Propeller, die grüngestrichenen Telegrafenmasten?

 

Was fehlt?

 

Hätten die Glockenblumen nicht wie wild geläutet, hätte er sie zu pflücken vergessen.

 

Er will Rosen liebkosen, Marianne küssen, sich von den Bienen ste-chen lassen. Aus tiefen Schächten steigt er ans Tageslicht, Telegramme unwillig von den Schultern schüttelnd.

 

Oder war es der Briefträger?

 

Ob der Gärtner noch schläft, fliegendurchsummt, bienendurch-brummt?

 

Blaues Zelt, Glockenfirmanent. Verwunderung der Gloxinien am Gartenzaun.

 

Wäre der Briefträger unter seiner Post erwacht, hätte er Glockenblu-men gebracht, hätte sie Marianne gegeben, die mit einer Tasse Tee und einem Sonnenstrahl in den Händen ganze Vormittage am Fenster ver-bringt.

 

Laubgeraschel unter der Türschwelle.

 

Die alte Mauer tönt.

 

 

Am Saumpfad.

 

Ewigkeitslinse, aus Marienglas, brach entzwei. Darauf kräuseln sich die Logarythmen bedeutungsvoll auf dem vergeßlichen Pflaster.

 

Wieder haben die Winzer die Schatten zu keltern vergessen und alle Fallschirmspringer breiten ihre Teppiche auf der grünen Wiese aus.

 

Winzerinnen schürzen ihre Lippen, die Ausflügler klatschen Beifall.

 

Komm herab, wilder Wasserfall, komm herab!

 

"Ruh' dich auf dem Moospolster aus, sonst wirst du der Arbeit nicht gewachsen sein", sagt Marianne zum Hauswart, der, bevor er nach un-ten steigt, den Ballast aus dem Fenster wirft und ruft: "Der Tenorschlüs-sel funktioniert nie!"

 

Pausenlos füllen Hilfskräfte die Daunenbetten mit Daunen.

 

Der Briefträger eilt ohne Eilbrief.

 

Der Bus fährt weiter, der Zug hält.

 

Er wischt die vielen falsch ausgefüllten Formulare vom Tisch, ent-deckt einen Fehler in den Berechnungen und versteckt ihn unter'm Strohhut des schlafenden Gärtners, ohne die Bienen zu stören.

 

Alle schlafen,

 

nur der Dichter wacht.

 

Achte auf das Brummen des Schnarrwerks und der genügsamen Honigbären!

 

 

 

Herbstblätter.

 

Was steht ihr staunend starr, Gloxinien?

 

Wir haben das Gedicht, das man uns gab, verändert.

 

Erinnert ihr euch?

 

Karls blaßgrüne Augen sehen durch rote Universen Mariannes blaue Glockenblumen zwischen den Liegestühlen hervorschimmern.

 

Orgelpunkt der Trauerweiden am Froschteich.

 

Die dreieckigen, transponierten Telegrafenmasten schweben sur-rend überm tiefen, dunklen Meer.

 

Immer ist es der Wind, der Handlungen, Blätter, Auflösungszeichen und Gedanken vor sich hertreibt. Er möchte abends das Traumgeschich-ten gurgelnde Bächlein belauschen, während der Gärtner im nahen Park das welke Laub zusammenkehrt und kehrt.

 

Ein frühes, aufwärts strebendes Schneegestöber verfängt sich in den weiten Gewändern von Marianne, die sich langsam vom Stuhl vor dem Fenster erhebt, die halbvolle Teetasse stehen läßt und plötzlich über die Türschwelle tritt, den Sonnenstrahl immer noch in der Hand.

 

Die Spezialisten sind ratlos.

 

Erdenzeit. Der blaue Berg steht einsam und vereint über dunkel-blauen Meereswogen.

 

Sternenblick strahlt.

 

Der große Engel, der die Zeit mißt, teilt und in die Uhren löffelt, tanzt über die feuchten Erlenwiesen und singt.

 

Versäumst du den Zug, kommst du früh genug.

 

Das kleine, wuschelige Kind spielt schon mit der hölzernen Eisen-bahn und spielt.

 

 

Sechseckige Moospolster.

 

Gelb schnäbelt im Röhricht, daß es Marianne freut.

 

Der Briefträger liest aus den Beförderungsvorschriften.

 

"Weihnachtskekse können wir befördern, Puddinge nicht", schärft er ihr ein und ein. Sie hört ihm zu, aber sagt: "Hast du auch alle Briefe versteckt, alle Fische belogen, alle Köche verärgert, so zögere nicht! Komm mit!"

 

Blondes Seeschilf spiegelt den Himmel zum Grund in die Tiefen.

 

Hohlwangige Hohlkugeln warten dort auf ihren Einsatz. Welle steigt empor, kräuselt sich, hüpft aufs grüne Moos und plätschert ins Gras.

 

Taubenetzt, barfüßig, streift Marianne den Wiesenhang und die Schatten am Nachmittag.

 

Während sich die feigen Jäger in der Bahnhofshalle versammeln, stürmen empörte Köche mit Kochlöffeln und Sieben voran.

 

Gloxinien halten den Atem an.

 

Der Briefträger läßt seine Brille in den Schokoladepudding fallen. Seither ist seine Sicht verändert.

 

Sonne leckt Bodennebel auf.

 

Die Zweige der Weiden können die mitteltönige Stimmung nicht halten und sinken in den See.

 

Polizisten hängen an der Wäscheleine und tropfen immer noch. Enttäuscht gehen die Jäger nach Hause.

 

Die unerbittliche Amsel schleudert dieses Mal keine Rosenkränze.

 

 

Abendwind weht ums Haus.

 

Im letzten Augenblick schwimmen barfüßige Krokodile langsam und vorsichtig lächelnd die Milchstraße hinunter.

 

Mauern verlängern ihre Schatten.

 

Emsige Glockenblumen vermieten noch schnell alleinstehenden Hummeln Zimmer nach dem Angelusläuten. Ihr blaues Zelt verbirgt, woran uns Saturn erinnern wollte, und die mit tollkühnen Dromedaren gefüllten Flugmaschinen brausen bereits über die Startbahn.

 

Nur zwei betende Schatullen kommen zu spät.

 

Wenn es Glückwunschkarten regnet, tönt das Grammophon auf dem Ringelspielplatz.

 

Umsonst hat es sich bemüht, denn die störrische Amsel treibt es diesmal zu weit; da rauben vom Winde gebeutelte Landarbeiter den un-fähigen Dichtern ihre Schreibgeräte.

 

Unbeschädigt von stehenden Autobussen läuft Marianne mit offe-nem Haar quer übers Feld und ruft: "Genug ist immer viel!"

 

Das werdende Glück der Stiefmütter.

 

Hätte die verstopfte Regentraufe der Amsel kein Ständchen gesun-gen, wären die Blumenteppiche des Gärtners nie mehr aus der Reini-gung zurückgekehrt.

 

Der Briefträger bekommt für jedes geglückte Lesezeichen einen Kuß.

Kleine nebensächliche Tragikomödie II

 

Akt

 

Blitzschnell und mit lautem Knistern wächst ein blühender Kirschbaum aus dem geschmolzenen Telephon am Boden.

 

KAFFEEMASCHINE: "Das Leben ist wie... das Leben ist wie... ich hab' nie gewußt, wie das Leben ist."

 

Sie verkriecht sich unterm Bett.

 

GEWISSENHAFTER REZENSENT: "Wir sind im Turm von Hölderlin, im 6. Stockwerk."

 

Der gewissenhafte Rezensent springt aus dem Fenster.

 

GEWISSENHAFTER REZENSENT (während er springt): "Aber ich habe einen Fallschirm."

 

Die Katze kommt zur Tür hereinspaziert.

 

KATZE: "Miau, mioo, miau, mioo!"

 

SONNE (während sie aufgeht, sich überallhin umblickend): "Der Pudel hat die Kerne versteckt. Wo sie wohl sein könnten?"

 

 

Akt

 

TELEPHON (im Dunkeln, als Pfütze am Boden langsam vom wachsenden Kirschbaum aufgesaugt werdend): "Kann man dem Raum verübeln, daß er, wo es Feuer gibt, es dem Rauch ermöglicht, aufzusteigen?"

 

FLAMME (hinterm Klavier hervorzüngelnd): "Es werde Licht. Alle aufwachen! Ich mache der Sonne Konkurrenz!"

 

Die Flamme erfaßt den Klavierdeckel und nach und nach das ganze Klavier, daß es zwischen den Saiten rumort.

 

HÖLDERLIN (liegt im Bett, erwacht, schaut unterm Federbett hervor, eine Zipfelmütze über die Ohren gezogen): "Entschuldigen Sie mich, Euer kaiserliche Gnaden, doch ich bin müde und möchte noch schlafen."

 

Er dreht sich auf die andere Seite.

 

FLAMME (unbeirrt am Klavier weiterbrennend): "Bitte sehr, Herr Hölderlin!"

 

HÖLDERLIN (zur Flamme): "Das Klavier läßt sie dick und aufgedunsen aussehen. Die gelbe Kerze stand Ihnen besser."

 

Der Kirschbaum läßt seine Blüten abfallen und die Kirschen werden reif.

 

HÖLDERLIN (der nicht mehr einschlafen kann): "Majestät, ich stehe jetzt auf, wenn Sie gestatten."

 

Er reißt sich die Zipfelmütze vom Kopf, zerzaust sich mit beiden Händen das wilde Haar noch mehr, schlüpft in einen griechischen, hellen und weiten Chiton und blättert in einem großen Stapel von Zetteln, die er unterm Bett hervorgezogen hat.

 

HÖLDERLIN (liest): "Wer nicht schwimmen kann, muß sterben, wenn er ertrinkt - blubb blubb blubb. (Er denkt eine Weile darüber nach) Aber wenn ich tot bin, so ist der Spruch ganz und gar belanglos."

 

KAFFEEMASCHINE (klopft an der Tür, kommt herein): "Es tut mir leid, wenn ich zu spät komme, doch ich stand im Stau... Es war nicht meine Schuld."

 

Hölderlin achtet nicht auf die Kaffeemaschine und wirft den Zettel, von dem er soeben gelesen hat, ins brennende Klavier.

 

KATZE: "Ich bin nervös. Ich bin nervös. Ich bin nervös. Ich brauche einen Kaffee. Nur wenn ich Kaffee trinke, beruhige ich mich."

 

Die Katze zieht ihren Taucheranzug aus und setzt sich an den Tisch.

 

KATZE (zur Kaffeemaschine): "Na, wird's bald?"

 

KAFFEEMASCHINE (mit klagender Stimme): "Entschuldigen Sie, aber ich kann heute wirklich keinen Kaffee machen, ich bin mit den Nerven am Ende."

 

KATZE (mit drohendem Unterton): "Herr Kaffeemaschinerich, ich bestehe darauf, daß Sie mir auf der Stelle einen Kaffee..."

 

KAFFEEMASCHINE: "Aber..."

 

KATZE (fährt die Krallen aus): "Ich dulde keinen Widerspruch! Das ertrage ich nicht! Immer diese faulen Ausreden, immer diese faulen, faulen Ausreden, es ist nicht zum Aushalten."

 

KAFFEEMASCHINE (kleinlaut): "Ich habe nämlich gar kein Kaffeepulver mehr, müssen Sie wissen..."

 

KATZE (kreischend und tobend): "Ich will nichts hören! Schon gar nichts vom Kaffeepulver! Sind Sie eine Kaffeemaschine oder nicht? Lassen Sie sich also etwas einfallen! Zeigen Sie mehr Einsatz!! Seien Sie nicht so unbeholfen!!! Tun Sie endlich etwas!!!! Schreiten Sie zur Tat, wird's bald?!?"

 

KAFFEEMASCHINE (eingeschüchtert): "Also gut..."

 

KATZE: "Na also."

 

KAFFEEMASCHINE: "Das Leben ist hart."

 

Die Kaffeemaschine klettert stöhnend auf den Kirschbaum und pflückt, laut mit dem Deckel klappernd, die Kirschen.

 

KATZE: "Wir sind alle Nervenkrank. Das ist tragisch, das ist tragisch, das ist tragisch. Sehr, sehr tragisch."

 

FLAMME (das Klavier lichterloh verbrennend): "Mir geht's prima!"

 

HÖLDERLIN: "Ich möchte eine Zygote seyn, eine Zygote! Eine Zygote!!! Dann könnte ich alles werden, zum Beispiel ein Komet..."

 

Er schwingt sich wieder auf den Lampenschirm überm Tisch.

 

 

Akt
 

KAFFEEMASCHINE: "Bald schon ist der Kaffee fertig. Heute gibt's Kirschkaffee."

 

In der Kaffeemaschine rumort es.

 

HÖLDERLIN (auf dem Lampenschirm, singt): "Die rührendste Bläue umgiebt der Schwalben Geschrey, das umschwebet den Kirchthurm mit dem Dache, metallen erblühend vor lieblicher Bläue."

 

Die Katze öffnet die Kaffeemaschine und zieht ein neues Telephon hervor. Erstaunt betrachtet sie das Telephon von allen Seiten.

 

 

Akt

 

TELEPHON: "Rrring, rrring..."

 

KATZE (drohend): "Klingle nicht, sonst steck' ich dich wieder in die Kaffeemaschine!"

 

Das Telephon verstummt augenblicklich.

 

Hölderlin läßt sich vom Lampenschirm krachend auf den Tisch fallen.

 

HÖLDERLIN: "Ihr wandelt droben im Lichte, selige Genien - doch ich, schicksallos bin ich von Klippe zu Klippe geworfen..."

 

Wieder verbeugt sich Hölderlin der Reihe nach vor allen Anwesenden, immer schneller im Kreise wirbelnd.

 

HÖLDERLIN (zur Kaffeemaschine): "Majestät - zu Befehl!"

 

Hölderlin verbeugt sich eilig vor der Kaffeemaschine.

 

HÖLDERLIN (zum Telephon): "Willkommen, Frau Gräfin, in meiner bescheidenen Hütte - darf ich um Ihre Hand anhalten? Ich hoffe, Sie woll'n mich nicht gleich mit Kinderkriegen inkommodieren, Frau Gräfin... klingeln Sie nicht, Frau Gräfin, denn ich werde nie, niemals, den Hörer abheben."

 

Hölderlin verbeugt sich rasend schnell vorm Telephon.

 

HÖLDERLIN (zum Kirschbaum): "Der Herr sehen heute ganz stattlich aus, Kompliment!"

 

Hölderlin verbeugt sich noch eiliger vorm Kirschbaum.

 

HÖLDERLIN (zum brennenden Klavier, dessen Saiten jetzt immer öfter, eine nach der anderen, mit lautem Knall und anschließendem Scheppern zerreißen): "Haben sich von der Literatur auf die Musik verlegt? Kompliment auch Ihnen, Herr Baron, eine kluge Wahl!"

 

Hölderlin verbeugt sich schnell vor dem Feuer.

 

HÖLDERLIN (zur Katze): "Bitte sehr, bitte gleich!"

 

Des Kirschbaums Blätter färben sich so schnell, wie er gewachsen ist, und fallen ab, das brennende Klavier ist in sich zusammengesunken, alle Saiten sind bereits gerissen, nun sieht es eher wie ein gemütliches Lagerfeuer aus. Hölderlin stellt das neue Telephon behutsam auf den Tisch, an die Stelle des alten Telephons, und dann verbeugt er sich langsam würdevoll davor, in dieser Stellung verharrend.

 

 

Akt

 

Hölderlin verharrt weiter in verbeugter Haltung. Inzwischen hat die Katze wieder ihren Taucheranzug angezogen und macht sich jetzt daran, die Kaffeemaschine zu zerlegen. Diese läßt es ruhig mit sich geschehen.

 

FLAMME: "Knister, knaster, knister, knaster..."

 

HÖLDERLIN (ohne sich aufzurichten): "Ich finde es ganz und gar geschmacklos, wie Sie beim Verzehren meines Klavieres schmatzen..."

 

FLAMME: "Entschuldigung, aber ich schmatze nicht, ich knistere."

 

HÖLDERLIN (warnend, aber immer noch in verbeugter Haltung vor dem Telephon): "Das ändert nichts an der Sache. Halten Sie sich an die Etikette, oder ich lösche Sie."

 

FLAMME (knistert besonders laut): "Knister, knaster, knister, knaster!!!"

 

HÖLDERLIN (hebt Kopf und Arme, ohne auch den Rücken aufzurichten und schreit das Telephon an): "Ja, warum klingeln Sie nicht endlich?!?"

 

Das Telephon bleibt stumm und die Katze verstreut die vielen Bestandteile der Kaffeemaschine im ganzen Raum.

 

KATZE: "Diese Kaffeemaschine besteht aus ziemlich vielen Bestandteilen."

 

Hölderlin geht hinter der Katze her und sammelt geduldig alle Teile wieder ein, sie auf den Tisch legend. Dort stellt er die Teile zusammen, doch er erhält keine Kaffeemaschine mehr, sondern ein Fernrohr. Er stellt sich damit ans Fenster und späht in die Ferne.

 

KIRSCHBAUM (singt währenddessen, seine kahlen Äste wiegend): "Kafka, Kafka, Kafka, Kafka, Kafka, -kaaa, -kaaa, -kaaa, Kaf-, Kaf-, Kaf-, Kafka, Kafka, Kafkaa, Kafkaaa, Kafkaaaaa, Kafka, Kafka, 'afka, 'fka, 'ka, 'aaa..."

 

Die Katze wählt eine Nummer nach der anderen am Telephon, nimmt den Hörer aber nicht ab.

 

KATZE: "Verbinde mich mit der Welt - die Linie ist unterbrochen. Verbinde mich mit der Welt - die Linie ist unterbrochen. Verbinde mich mit der Welt - die Linie ist unterbrochen."

 

Hölderlin tritt vom Fenster zurück, dreht sich um und gibt der Katze das Fernrohr.

 

HÖLDERLIN: "Bittesehr, eure Majestät..."

 

KATZE (nun selbst mit dem Fernrohr aus dem Fenster blickend): "Ich sehe gebündeltes Licht, doch die kleinen Gegenstände werden nur schwach vergrößert, hingegen die großen stark verkleinert."

 

FERNGLAS: "Ich will heute keine kleinen Gegenstände vergrößern."

 

KATZE: "Stell dich nicht so an, mach dich nicht so schwer."

 

Die Katze bricht unter der Last des Fernrohrs fast zusammen.

 

Das Feuer ist zu einem rot glühenden Haufen zusammengesunken und das Telephon nimmt sich selbst den Hörer ab und wählt eine lange Nummer.

 

Die Katze schleift das Fernglas zur roten Glut.

 

KATZE: "Ich schmiede dich zu einem Rasenmäher um."

 

FLAMME (züngelt aus der Glut hervor): "Ich verbrenne mich selbst! Zisch! Zasch!"

 

TELEPHON: "Hallo? Verbinden Sie mich bitte mit der Telephonzentrale..."

 

Die Katze schiebt das Fernrohr in die Glut.

 

FERNGLAS: "Klipp, klapp, klipp, klapp... am besten tue ich, als sei ich eine Kaffeemaschine. Das verwirrt alle und der Überraschungseffekt wird größer sein."

 

Hölderlin geht um den Kirschbaum herum, bei dem wieder grüne Blätter sprießen. Das Fernglas in der Glut klappert vor sich hin, das Telephon gibt das Freizeichen von sich.

 

HÖLDERLIN (in Gedanken versunken, immer um den Kirschbaum schreitend): "Der Komet kommt aus der Zygote. Alles kommt aus der Zygote. Besonders der Komet, Ko- met... ein seltsamer Name. Aus der drei - sil - bi - gen Zy - go - te entsteht der zwei - sil - bi - ge Ko - met. Die Silben nehmen ab und der Mond nimmt zu. Ja. So muß es sein!"

 

KATZE (anklagend, zu Hölderlin): "Es schmilzt nicht, es klappert bloß. Die Glut ist zu kalt."

 

FERNGLAS (klappert mit den Zähnen): "Wärme mich, wärme mich, die Glut ist eiskalt!"

 

KATZE (faßt neugierig mit der Pfote in die Glut): "Brrr - wirklich, eiskalt! Wenn das Feuer kalt wird, kommt der Sommer."

 

HÖLDERLIN (ist stehengeblieben): "Ein Sommer ohne Schwalben?"

 

Das Freizeichen vom Telephon verstummt.

 

TELEPHON: "Ja, hallo? - Was meinen Sie? Oh, Orphelia, du bist es wieder... (zu Hölderlin) Es ist jene andere Kirsche - die man entkernt hat, erinnern Sie sich? (ins Telephon) Was? Wen soll ich dir holen? - Nein, sie wurde erst von einer Katze gefressen und ist dann in einem Telephon ertrunken, doch jetzt scheint es ihr wieder gut zu gehen (das Telephon blickt zum Kirschbaum, der prächtig grünt) Wir scheinen in den Sommer übergegangen zu sein - nein, Schwalben haben wir noch keine gesehen... Mach's gut und Kopf hoch... ...ja, was soll man da machen? Tut mir echt leid um dich... ...ja... ...ja... ...nein, natürlich nicht... ...o du Ärmste... ...aber nein... ...auf Wiederhören, bis zum nächsten Mal - und viel Glück."

 

Hölderlin sieht wieder aus dem Fenster. Das Telephon legt sich selbst den Hörer auf die Gabel.

 

TELEPHON: "Orphelia wurde in Likör getaucht und arbeitet jetzt als Füllung in einer Schokoladepraline..."

 

KATZE: "Ich bin nervös."

 

HÖLDERLIN (zur Katze, ohne sich vom Fenster wegzudrehen): "Eure Majestät wünschen Kaffee?"

 

TELEPHON (beginnt zu klingeln): "Rrring, rrring, rrring..."

 

KATZE: "Ich hebe sicher nicht ab - und mit einem Fernglas kann man keinen Kaffee machen."

 

FERNGLAS (stolz und mit Nachdruck): "Ich kann alles machen."

 

Hölderlin dreht sich zum Fernglas um, das in der Asche liegt, die Glut ist erloschen.

 

HÖLDERLIN: "Alles? Dann bis du eine Zygote?"

 

FERNGLAS: "Natürlich!"

 

KATZE: "Nun - mach also den Kaffee..."

 

HÖLDERLIN: "Halt! Mache besser einen Kometen!"

 

FERNGLAS: "Gut, ein Komet..."

 

Das Fernglas wirbelt in der Asche herum und plötzlich steigen Drähte aus der Asche empor, fügen sich zusammen und formen ein Gebilde, das immer mehr einem Fahrrad ähnelt.

 

KATZE: "Das sieht gar nicht wie ein Komet aus..."

 

FERNGLAS: "Ich habe mich geirrt - es ist ein Fahrrad geworden. Mehr kann ich auch nicht machen."

 

HÖLDERLIN (enttäuscht): "Kein Komet?"

 

FERNGLAS (kleinlaut): "Ich bin heute nicht sonderlich in Form."

 

KATZE (zu Hölderlin): "Siehst du, es hätte doch bessere einen Kaffee gemacht. Das ist weniger anspruchsvoll."

 

Hölderlin besteigt das Fahrrad.

 

Das Telephon klingelt wieder.

 

TELEPHON: "Rrrinng, rrrinng, rrrinng..."

 

HÖLDERLIN (fährt mit dem Fahrrad im Turmzimmer umher, nimmt während des Fahrens das Telephon mit, hebt den Hörer ab): "Hallo? Ja? Solfeggiounterricht? Da sind sie bei mir goldrichtig... ...nein, bleiben Sie am Apparat, Eure Majestät, ich erledige das ambulant und sofort (singt) Do re mi fa sol fa mi re dooooo! Re mi fa sol la sol fa mi reeeee! Mi fa sol la si la sol fa miiiii! Fa sol la si do si la sol faaaaa! Sol la si do re do si la soooool! La si do re mi re do si laaaaa! (spricht wieder normal) das wär's für diesmal. Nächste Woche lernen wir das (er singt) Si do re mi fa mi re do siiiii! (spricht weiter) doch erst müssen Eure königliche Majestät die heutige Lektion beherrschen."

 

FAHRRAD: "Rrrumm, rrrumm, rrrummm!"

 

KATZE: "Famos! Ein radfahrender Solfeggiolehrer (plötzlich erschrocken) Herr Hölderlin! Das Telephon hat geklingelt und Sie haben abgenommen! Herr Hölderlin! Das Telephon hat geklingelt und Sie haben abgenommen! Herr Hölderlin! Das Telephon hat geklingelt und Sie haben abgenommen! Was nun?"

 

HÖLDERLIN: "Hilfe, Hilfe!!!"

 

Er bremst ab und steigt vom Fahrrad. Das Fernglas rappelt sich aus der Asche hoch.

 

FERNGLAS: "Ich behebe den Schaden. Zisch! Zusch! Zisch! Zusch!"

 

Es tippt aufs Fahrrad und dieses verwandelt sich ins Klavier.

 

HÖLDERLIN: "Rrring, rrring, rrring..."

 

TELEPHON: "Es klingelt, das hör' ich wohl, doch abheben thät' ich nie - nimmermehr nähm' ich ab den Hörer, nimmermehr! Nie! Nie!"

 

HÖLDERLIN: "Rrring, rrring, rrring..."

 

Die Katze legt ihren Taucheranzug beiseite, setzt sich ans Klavier und spielt Etüden von Chopin und Sonaten von Skrjabin. Hölderlin legt sich, das Telephon eng umschlungen, ins Bett. Das Fernglas schaut aus dem Fenster und kümmert sich nicht um das, was im Turmkammer vor sich geht. Die eine Hälfte der Sonne geht auf, die andere unter.

 

Vorhang fällt.

Unheimliches Kartenspiel

 

Die neue Sekretärin stellt sich beim Uhrenfabrikanten, Herrn Julius Krügli, vor.

 

"Grüß Gott", sagt die Sekretärin.

 

"Grüezi", sagt Herr Krügli, "Sie können gleich anfangen, kommen Sie mit."

 

Die Sekretärin folgt Herrn Krügli durchs ganze Kaufhaus, vorbei an Taschenrechnern, Fernsehern, Damenbekleidung und Herrenbekleidung und weiter zu den Haushaltsartikeln, dann durch eine unscheinbare Stahltür ins Magazin und an etlichen Kisten vorbei. Dann besteigen sie eine Art Aufzug und Herr Krügli sagt: "Das Geschäft schließt pünktlich um 19 Uhr. Wenn Sie zu spät zurückommen, so können Sie nicht mehr durch das Kaufhaus hinaus, sondern Sie müssen in diesem Fall die Straße entlang, und das ist ein Umweg von etlichen Kilometern, nämlich bis zur Abzweigung, wo Sie dann hintenherum wieder auf die Hauptstraße kommen und wieder einige Kilometer zurückgehen müssen. Vertrödeln Sie also keine Zeit und seien Sie pünktlich!"

 

Der Aufzug bewegt sich erst horizontal in den Berg hinein, dann geht es vertikal nach oben. Er hält nach einer ziemlich langen Fahrt, die Tür öffnet sich und die Sekretärin folgt Herrn Krügli ins Freie. Vor ihnen ist ein kopfsteingepflasterter, steiler Dorfweg, auf der anderen Seite des Weges ein bäuerlich anmutendes Haus, großteils aus Holz.

 

Die Tür ist nicht verschlossen. Herr Julius Krügli steigt eine knarrende, hölzerne Treppe empor. Sein Büro gleicht einer Bauernstube, nur der glänzende, nierenförmige Schreibtisch aus Aluminium paßt nicht ins Ambiente.

 

Die Sekretärin schaut zum Fenster hinaus und sieht, wie zwei schwarz gekleidete Männer mit Hut ein großes Xylophon übers steile Kornfeld hinaufschleppen. Um sie herum hüpft eine bunte Kinderschar.

 

"Papa, Papa!", rufen sie laut.

 

"Ordnen Sie diese Akten, so lernen Sie den Betrieb gleichzeitig kennen", sagt Herr Krügli mit befehlsgewohntem Ton, und die Sekretärin macht sich sogleich an die Arbeit.

 

Nach einiger Zeit bemerkt sie: "Der Ordner vom 13. bis 20. Oktober des vorigen Jahres fehlt."

 

"Er ist wahrscheinlich im Keller", sagt Herr Krügli, "im Schrank, gleich neben der Türe. Wenn Sie hinuntergehen, dann achten Sie am besten überhaupt nicht auf Olga und Josefine - wahrscheinlich sitzen die beiden schon wieder im Keller und spielen Karten - und..." Herr Krügli sieht die Sekretärin streng an, "sprechen Sie nicht mit ihnen, sonst vergessen Sie, was Sie holen wollten. Aber auf gar, gar keinen Fall dürfen Sie sich mit den beiden zum Kartenspielen überreden lassen - merken Sie sich das!"

 

"Ja, Chef."

 

"Dort unten hüllt der schwarze Mond selbst die helle Sonne in graue Schleier, bescheint die frohe Welt mit seiner Finsternis, verschluckt ein jedes Licht, ein jede Freud' und auch die klare Vernunft, also nehmen Sie am besten diese Taschenlampe mit - man weiß nie, ob das Licht funktioniert oder fehlt. Gehen Sie jetzt!"

 

"Ja, Chef", sagt die Sekretärin und geht in den Keller.

 

Dort sitzen wirklich zwei Frauen bei einem Holztisch und spielen Karten. Die Sekretärin schaut neugierig zu.

 

"Wieder gewonnen", jubelt eine der beiden und bemerkt die neugierige Sekretärin, "schau! Da kommt die neue Sekretärin! Wie hübsch und wie jung sie ist!"

 

Die andere Kartenspielerin, welche mit dem Rücken zur Tür sitzt, dreht sich kurz um, mustert die Sekretärin mit einem fast wießen, uralten Gesicht und mit stechenden, roten Augen, deren Blick eine Gänsehaut verursacht, von oben bis unten und sagt: "Schön, schön! Gut, gut", greift in die Luft, hat plötzlich eine Münze in der Hand und legt sie auf einen großen Haufen von solchen Münzen, den die erste Kartenspielerin schon vor sich liegen hat.

 

"Hier, fünf Franken", sagt die zweite Kartenspielerin, "noch ein Spiel?"

 

"Aber mit mehr Einsatz", sagt die erste Kartenspielerin gierig.

 

"Um mehr spiele ich nicht", bekommt sie zur Antwort.

 

"Guten Tag, ich bin die neue Sekretärin von Herrn Julius Krügli", sagt plötzlich die Sekretärin, und in diesem Augenblick hat sie ganz vergessen, was sie hier im Keller holen wollte.

 

"Hallo, meine Kleine! Ich bin Olga", sagt die erste Kartenspielerin.

 

"Und ich bin Josefine - ach, bist du ein nettes Ding - komm, setz dich zu uns", sagt die andere.

 

"Ich gewinne immer", bemerkt Olga, "willst du mitspielen, meine Süße?"

 

"Ja", sagt die Sekretärin unsicher und setzt sich auch an den Tisch, "ich habe aber nur wenig Geld."

 

"Setz alles auf diese Karte", sagt Josefine. Die Karten werden gemischt, ausgeteilt, man spielt schnell und mechanisch.

 

"Gewonnen", ruft Olga begeistert, nimmt der Sekretärin das Geld aus der Hand und legt es auf ihren Haufen aus lauter schon gewonnenen Fünf-Franken-Münzen. Josefine greift im selben Moment in die Luft, hat sogleich weitere fünf Franken in der Hand und legt sie dazu.

 

"Los, los, noch ein Spiel", schreit Olga begeistert.

 

"Ich habe kein Geld mehr", meint die Sekretärin kleinlaut.

 

"Setze deine Kleider!", rufen die beiden Kartenspielerinnen wie aus einem Munde und schon werden die abermals gemischten Karten ausgeteilt.

 

"Wieder gewonnen", kreischt Olga begeistert, "zieh dich aus!" - und sie bekommt wieder eine Münze von Josefine. Diese legt sie auf ihren Geldhaufen, zusammen mit den Kleidern der Sekretärin und frägt Josefine: "Was könnte sie denn jetzt noch setzen?"

 

"Ihr linkes Bein", krächzt Josefine und die beiden kichern.

 

"Das ist gut - das linke Bein, ja, ja, ja", freut sich Olga und teilt die Karten aus.

 

"Gewonnen! Her mit dem Bein! Leg es hier auf den Tisch! Reich mir die Säge, Josefine, und halt das Bein gut fest!", johlt Olga begeistert. Josefine holt eifrig und vergnügt kichernd eine große Säge unter dem Tisch hervor und reicht sie Olga, dann hält sie das Bein der Sekretärin fest und Olga quietscht vor Freude und will gerade drauflossägen, da geht die Kellertüre auf und Herr Julius Krügli, der Uhrenfabrikant, steckt den Kopf herein und sagt: "Halt! Sie ist meine neue Sekretärin, steht unter Vertrag. Wenn sie ins Krankenhaus kommt, dann muß ich die Krankenkassenbeiträge bezahlen, wenn sie stirbt, muß ich die Bestattungskosten tragen - und Sie", er wendet sich an die Sekretärin, "ziehen Sie sich an, kommen Sie - und nehmen Sie den Ordner vom 13. bis 20. Oktober des vorigen Jahres mit - den haben Sie wohl ganz vergessen, wie? - Und das nächste Mal würde ich Ihnen nahelegen, den Ratschlägen Ihres Geldgebers mehr Gehör zu schenken - meinen Sie nicht auch?"

 

"Ja, Chef", sagt die Sekretärin mit zitternder Stimme.

 

Wie sie oben im Büro von Herrn Krügli die Akten ordnet, sieht sie vom Fenster aus wieder die beiden schwarz gekleideten Männer mit Hut, welche diesmal das große Xylophon übers steile Kornfeld hinuntertragen, wieder von der bunten "Papa, Papa!" rufenden Kinderschar umgeben.

 

Die Sekretärin von Herrn Julius Krügli ist nicht lange dort geblieben. Als sie der Uhrenfabrikant eine Woche darauf in den Keller schickte, stieg sie zwar die erste Holztreppe hinab, aber dann ging sie, statt weiter vom Parterre in den Keller zu steigen, einfach aus dem Haus, floh aus der Schweiz, ohne jemandem ein Wort zu sagen.

Die Kalenderreform

 

Als die Engländer im Laufe des zweiten Weltkrieges die Sommerzeit zum Zwecke des Stromsparens erfanden, wußten sie natürlich nicht, daß sie damit den ersten Schritt der Menschheit zur letztendlich unumgänglichen totalen, globalen Kalenderreform getan hatten.

 

Wer hat sich nicht schon zu Beginn der Sommerzeit schwer getan, sich an das frühere Aufstehen zu gewöhnen? Auch ergibt die Sommerzeit am Äquator keinen Sinn, da dort Tag und Nacht das ganze Jahr über stets gleich lang sind, und in nördlicheren oder südlicheren Breiten ist zu den Polen hin eine Sommerzeit von nur einer Stunde keinesfalls ausreichend. In der Tat gibt es heute schon in einigen Ländern die doppelte Sommerzeit. Mit den neuen, chipsgefütterten und digitalen Uhren wäre es heute technisch leicht möglich, die Sommerzeit bis zum nördlichen und südlichen Polarkreis das ganze Jahr lang jeweils so einzustellen, daß die Sonne immer um 21:00h untergeht. So wäre es am Abend stets lange genug hell. Allerdings würde dabei im Winter, sagen wir, in Norwegen, die Sonne unter Umständen erst spät am Nachmittag aufgehen. Beschlösse man aber andererseits, es immer sieben Uhr morgens sein zu lassen, wenn die Sonne aufgeht, so ginge sie, immer beispielsweise in Norwegen, im Sommer erst einige Zeit nach Mitternacht unter. Am Idealsten wäre es, Sonnenuntergang und -aufgang mit einer fixen Uhrzeit zu verbinden. Die Stunden, Minuten und Sekunden des Sommertags wären eben länger und jene in der Nacht kürzer. Auch dürfte der Übergang der Sekundenlänge zwischen Tag und Nacht nicht ruckartig verlaufen. Jede Sekunde innerhalb von vierundzwanzig Stunden könnte ihre individuelle Länge haben, die kürzeste Sekunde wäre beispielsweise genau um Mitternacht, und die längste um zwölf Uhr mittags. Auch das Umstellen der Uhren beim Überschreiten der Zeitzonen, zum Beispiel bei Flugreisen, wäre weniger traumatisch, wenn sich die Uhr automatisch, und zwar schon mit jedem Schritt, den man nach Osten oder Westen macht, um einen winzig kleinen Bruchteil einer Sekunde umstellte.

 

Die Computer würden den nötigen Rechenaufwand spielend bewältigen und es stünde, wenn man es so vereinbart, die Sonne im Mittag stets am höchsten, sie ginge am Vormittag um 7:00h auf, Nachmittags um 21:00h unter, sodaß der Vormittag jeweils 5 Stunden dauerte, der Nachmittag hingegen 9 Stunden, welche aber kürzer wären, und das wäre überall auf der ganzen Welt innerhalb des nördlichen und südlichen Polarkreises so.

 

Nach einiger Zeit hätte sich jedermann an die neuen Uhrzeiten gewöhnt. Man hätte sich daran gewöhnt, mal um diese, mal um jene Zeit schlafen zu gehen, je nach Jahreszeit. Jetzt kann der zweite Schritt erfolgen. Um internationale Kongresse, beispielsweise im Internet, zu vereinfachen, könnte man beschließen, die Zeitzonen abzuschaffen. Zu diesem Zweck wird folgende Änderung eingeführt: Wenn die Sonne jeweils aufgeht, so ist es jeden Tag um zehn Minuten früher. Nach einem Monat etwa geht sie schon um zwei Uhr Nachts auf, nach zwei Monaten um 21:00h, nach drei Monaten um 16:00h, und nach etwas mehr als einem Drittel Jahr geht sie wieder, wie gewohnt, um 7:00h auf, aber dann sind am betreffenden Tag die Stunden, Minuten und Sekunden anders verteilt als am Ausgangstag. Der Vorteil an der Sache ist enorm: Etwa 2½ mal im Jahr ist zu jeder Stunde eine andere Tageszeit. Nachtarbeiter, Bäcker, Kinovorführer, Barkeeper und Callgirls, aber auch ein normaler Bankangestellter sind nun, was das frühe Aufstehen oder das späte Schlafengehen anbelangt, gleichberechtigt. Sie alle können 2 bis 3 Mal im Jahr bei Sonnenaufgang, 2 bis 3 Mal im Jahr bei Sonnenuntergang zur Arbeit gehen, was in ihre jeweiligen Berufe Abwechslung und Lebendigkeit bringt. Da die Tage nun zirkulär verlaufen, kann man die Weltzeit vereinheitlichen, die Zeitzonen können wegfallen und internationale Videokonferenzen finden für Teilnehmer an den verschiedensten Ecken der Welt zur gleichen Zeit statt, nur daß, wohlgemerkt zur gleichen Tageszeit, in China beispielsweise, hellichter Tag ist, in Amerika hingegen stockfinstere Nacht.

 

Vergessen wir keinesfalls, daß die jeweiligen Stunden, Minuten und Sekunden zwar nicht mehr nach Längengrad, aber immer noch nach Breitengraden jeweils verschieden lang sind, und die 24 Stunden laufen jeweils auf der ganzen Welt im gleichen Zeitraum ab. Gleichzeitig haben wir, indem wir den Sonnenaufgang jeden Tag um jeweils 10 Minuten früher stattfinden ließen, pro Jahr etwa 2½ Tage dazugewonnen. Auf diese Weise verschieben sich, läßt man den Tageskalender unverändert, beispielsweise Weihnachten und Ostern im Laufe von ca. 150 Jahren einmal durch alle Jahreszeiten.

 

Als nächster Schritt wird also weltweit die Breitengradzeit vereinheitlicht, indem man auch diese zirkulieren läßt, sodaß an jedem Punkt der Erde einmal die längeren Sekunden in die längere Nacht, einmal in die kürzere Nachtzeit fallen, auch am Äquator kann es hie und da zu sehr kurzen Nächten und langen Tagen oder umgekehrt kommen, während zu anderen Zeiten ganz im Norden oder ganz im Süden, ungeachtet der effektiven Jahreszeit, die Tages- und Nachtstunden gleich lang sind. Endlich sind auch diesbezüglich Norweger und Afrikaner gleichberechtigt.

 

Mit dieser neuen Zeitregelung wären schon nach etwa 75 Jahren alle Kalenderjahreszeiten zu den effektiven Jahreszeiten um ein halbes Jahr verschoben, und man könnte dann auch in Europa einmal mitten im Hochsommer Weihnachten feiern, wie es heute schon in Brasilien geschieht. Wenn man nun die Monate alle auf 30 Tage festsetzt, da das Jahr ja sowieso nicht mehr mit der Zeit des Erdumlaufs um die Sonne übereinstimmt, und dadurch den Kalender um etliches vereinfacht, weil man nun auch das Schaltjahr nicht mehr zu berücksichtigen braucht, ist das Kalenderjahr, immer mit der täglichen Verschiebung von zehn Minuten, um etwas weniger als 3 Tage kürzer als das Sonnenjahr. Andererseits jammern schon heute viele Menschen, daß ihnen der Monat zu lang sei, um mit einem Monatslohn auszukommen, und wieder andere meinen, er sei viel zu kurz, um mit der dafür vorgesehenen Arbeit fertigzuwerden. Um beiden Einwänden gerecht zu werden, könnte man auch die Monatslänge dauernd verändern. Der Monat könnte beispielsweise von mal zu mal je um einen Tag länger werden, bis er 45 Tage lang ist, um dann wieder stufenweise abzunehmen, bis er auf 10 Tage zusammengeschrumpft ist, bevor man wieder pro Monat einen Tag dazunimmt, und so immer weiter. Weil Weihnachten immer vom 24. auf den 25. Dezember gefeiert wird, könnte man, zur Errettung dieses traditionsreichen Festes, den Dezember immer minimal 25 Tage lang sein lassen; dem Jänner würden dann, falls der Dezember theoretisch kürzer hätte sein müssen, die Tage weggerechnet, welche der Dezember nach dem vereinbarten System zu lange dauerte. Wäre bei immer kürzer werdenden Monaten der Oktober 12 Tage lang, so dürfte der November nur noch 11 Tage dauern, der Dezember theoretisch nur noch 10, aber um Weihnachten nicht zu versäumen darf er dann doch 25 Tage lang sein, also um 15 Tage zu lang. Diese werden dem theoretisch 11 Tage dauernden Jänner abgezogen, sodaß der Jänner für dieses Jahr nicht nur wegfällt, sondern auch noch um 4 Tage Schulden beim Jänner des nächsten Jahres macht.

 

Alle Probleme der Menschen hängen immer mit dem Unvermögen zusammen, flexibel zu denken und die Welt und alle Dinge in ihrer ständigen Veränderung zu sehen. Die Menschen ignorieren Veränderungen meist so lange, bis es zu spät ist. Die Gewohnheit bringt sie dazu, immer wieder zu handeln, als ob alles für immer gleich bliebe, und so können sie auf auftretende Schwierigkeiten erst reagieren, nachdem sie schon eingetroffen und unbestreitbar real sind.

 

Die menschliche Existenz forderte in den vergangenen Jahrhunderten eine mechanisierbare, gewohnheitsmäßig sich einpendelnde Verhaltensweise, um mit immer wieder auftretenden und ähnlichen Schwierigkeiten fertig zu werden. Schon heute könnte uns allen jegliche mechanische Verhaltensweise von den Maschinen und Computern abgenommen werden - und das geschieht in zunehmendem Maße. Angesichts dieser Tatsache wird der Mensch in Zukunft nur lebensfähig sein, wenn er seinerseits ausschließlich nicht zu mechanisierende Tätigkeiten findet, wenn er sich praktisch angewöhnt, sich jegliche Gewohnheit, die zu wiederholenden Tätigkeiten führt, abzugewöhnen.