Daniel Oberegger - Komposition

Ich bin einer der Komponisten der trichordalen Schule,

komponiere aber oft genug mit allen möglichen anderen Techniken

für Instrumente aller Art.

Wer wissen will, was trichordale Musik ist, kann es entweder im 4teiligen Dokumentarfilm, den ich dazu gemacht habe, erfahren, oder weiter unten lesen.

Was ist trichordale Musik?

 

Die trichordale Musik verwendet die "trichordale Kompositionstechnik", die von M.° Francesco Valdambrini erfunden wurde.
Es handelt sich um eine neue Organisation der Noten für die Musikkomposition, welche auf dem "Tricordo Bìtono" beruht: drei Noten, die jeweils um einen Ganzton voneinander entfernt sind, z.B. A G F.
Diese kleine Einheit von drei Noten erinnert absichtlich und geschichtlich an den "Tetrachord" des antiken Griechenlands, wo die Grundeinheit der Tonhöhenorganisation aus vier (anstatt wie bei der trikordalen Kompositionstechnik aus drei Noten) bestand.

In der 12-Ton-Musik stehen alle 12 Töne ("die 12 pantonalen Töne" würde man mit Schönberg sagen) mit absoluter Gleichwertigkeit nebeneinander und überlagern sich, so die "atonale, zwölftönige, strukturalsitische usw. Musik" schaffend, welche dem Ohr den Klang von der fast immerwährenden Anwesenheit aller 12 Töne anbietet.

Das "trichordale" Systems will auf dieses "totalchromatische" Hören reagieren. Im Trichord H A G wird das G beispielweise anders klingen, als im Trichord Es F G und wieder anders als in A G F - unabhängig davon, wie der Trichord selbst gestellt ist.

 

 

 

Die erste breit angelegte Komposition, bei welcher die trichordale Technik angewandt wurde, die "Sonanza Infinita, Ritrovato tricordale für Klavier in einem einzigen Erklingen von zirka 50 Minuten" aus dem Jahre 1990 ist Valdambrinis "Manifest" der trichordalen Musik. Man kann sie hier zur Gänze hören und in der Partitur mitlesen.

 

Die Trichorde können ohne irgendein Oktavierungsverbot verwendet werden. Alle möglichen Freiheiten, die Noten zu wiederholen, zu überlagern usw. sind erlaubt.

Da der Trichord selbst keinen Halbtonschritt beinhaltet liegt es nahe, die Trichorde im Halbtonabstand einander folgen zu lassen. Läßt man die Trichorde zum Beispiel immer in der gleichen theoretischen Richtung (alle nach oben oder alle nach unten) und immer nur in Halbtonschritten aufeinander folgen (der Halbtonschritt fehlt im Trichord selbst), erhält man eine Notenkette aus 12 Trichorden, was 36 Noten entspricht, und wo der Oktavraum keine determinierende Funktion mehr hat. Zum Beispiel: A G F, E D C, H A G, Fis E D, Cis H A, Gis Fis E, Dis Cis H, B As Ges, F Es Des, C B As, G F Es, D C B, 36 Noten, und dann beginnt es wieder von vorn: A G F usw. Natürlich ist es genauso möglich, eine aufsteigende Ankettung zu machen: D E Fis, G A H, C D E, F G A 

Eine andere Möglichkeit der Aneinanderkettung der Trichorde zu einer Kette von 72 Tönen ergibt sich, indem die Trichorde, immer in dieselbe Richtung, abwechselnd einmal in einem Halbtonschritt, dann in einem Ganztonschritt aufeinander folgen. Zum Beispiel: A G F, E D C, B As Ges, F Es Des, H A G, Fis E D, C B As usw., insgesamt 24 Trichorde, das sind 72 Noten.

Oder man kann 4 Trichorde nehmen, welche durch das Zurücktreten um einen Halbtonschritt einander folgen - oder besser gesagt angehängt sind. Beispiel: C B As, A G F, Fis E D, Dis Cis H - eine Ankettung von 12 Noten, die alle 12 chromatischen Noten verwendet, also eine "trichordale Zwölftonreihe".


Die praktische Anwendung der Noten dieser Ankettungen für kompositorische Zwecke sieht keine Pflicht vor, wie zum Beispiel in der Dodekafonie, die Reihenfolge der Noten beizubehalten. Ebenso kann jede Wiederholung der Noten, auch in verschiedenen Oktavlagen, durchgeführt werden.

Hier ist noch interessant, anzumerken, dass schon beim 3. Trichord der Oktavraum überschritten wird, da das A oder G im 3. Trichord andere Qualität haben als das A oder G im ersten Trichord. Hingegen müssen 8 Trichorde hier aufeinander folgen, bevor alle 12 chromatishen Töne erklungen sind.

Im "Ludus Andreae" aus der "Sonanza Infinita" von Francesco Valdambrini, Takt 565 mit Auftakt + Takt 566, werden die beiden Trichorde H A G und Fis E D verwendet. die linke Hand spielt in Takt 565 dierse 6 Töne in der Folge A-Fis-H-E-D-G, und dann wieder rückwärts D-E-H-Fis-A. Dabei wird die Melodie begleitet, die ebenfalls diese Tonfolge, A-Fis-H-E-D-G verwendet, danach folgt statt D-E-F-Fis... D-E-H-Fis, eine Permutation, die auch später in der Melodie immer beibehalten wird. in Takt 567 kommen die nächsten beiden Trichorde, Cis H A und Gis Fis E an die Reihe, in einer anderen Permutation, doch mit demselben System.

Durch die in der "Sonanza Infinita" bevorzugte Ankettung von 36 Noten entsteht als akustisches Resultat ein starkes Gefühl des Rotierens der Klänge im Raum, welche sich stets beim Auftauchen der nächsten sechs Noten der trichordalen Hexachorde frisch erneuern. Das Gefühl eines immerwährenden und unendlichen Kreisens der melodischen und harmonischen Geschehen, welche durch die für die Folge aller 36 Noten nötige breite Zeitspanne entsteht, bevor sich dieselbe trichordale Situation wiederholt, legt fast instinktiv den Gebrauch (oder das Erfinden) von ebenfalls ungewöhnlich breit angelegten phraseologischen Situationen nahe, welche sich besser dazu eignen, sozusagen in die Umlaufbahn geschickt zu werden.

Ein typisches Beispiel hierzu ist das Tempo in 27/8. Wie die Nummer Drei die Basis des trichordalen Systems ist, so ist wiederum die Nummer Drei die Basis der 27/8 dieses Rhythmus, nämlich 9 Gruppen von 3 Achteln, die weiter in 3 Gruppen von 9 Achtel organisiert sind, wobei jede dieser Gruppen 3 mal 3 Achtel enthält. Dadurch entsteht eine große Satzbewegung eines "Tempo in drei", das in drei und noch einmal in drei unterteilt wird, was, wenn man will, von einem "Tempo Perfetto" mit "Prolatio Perfetta" und "Subprolatio Perfetta" zu sprechen erlaubt.
Das Zusammenwirken eines sehr breiten Phrasierens, wie beim 27/8- Takt mit der klingenden und wieder klingenden, häufig sich drehenden Harmonie und Melodie des Trichordalen läßt rituelle Empfindungen entstehen, die Aufführende und Zuhörer in eine Art Zelebrieren des Geheimnisses vom Unendlichen im endlosen Klang mit hineinzieht.
Die Komponisten von trichordaler Musik, nunmehr eine gewisse Anzahl, bilden zusammen mit ihrem Lehrer die neue "Trichordale Schule", in der sich jeder in der kreativen Erforschung immer neuer harmonischer und melodischer Dichten und Entspannungen versucht, vom "trichordalen Cluster" bis zur Reinheit des einzelnen Trichords, mit sehr verschiedenen Schichten, Gradierungen und Konstruktionen, je nach der poetischen Ausdrucksnotwendigkeit des einzelnen Autors.