Das postapokalyptische Kino

Das Hauskinos ist eine handgemachte, technikfreie Filmform.

Auf einer Rolle sind die Bilder der Handlung aufgemalt, als Anschauung fürs Publikum und als Erinnerungshilfe für den Erzähler, der das Hauskino zeigt.

Mittlerweile besitze ich mehr als 50 Hauskinos verschiedener Länge, oft sind es natürliche, oft künstliche Geschichten.

Bei den künstlichen Geschichten waren die Bilder zuerst da, und die Geschichte ergibt sich erst aus der logischen Verknüpfung zwischen den Bildern, die Handlung war vor ihrer Entstehung nicht vorauszusehen.


Die Fische

2014 soll ich in München Hauskinos in der Schule machen. Diesmal ist das Bildformat nur A5, auf normale Papierrollen gemalt. Als Beispiel mache ich das Hauskino “Die Fische“, zum selbst gedichteten gleichnamigen Lied an der Grenze, über eine Musik von Rameau.


Das Spiel ist aus

Vielleicht 2000 hat Trude Ingeborg Bachmanns Gedicht "Das Spiel ist aus" als Hauskino in Form von Seelenbildern gemalt. Der Ton zum Film ist einfach das Gedicht, von Trude gesprochen.


Orso grande

Vermutlich 2000 macht Trude das Hauskino „Orso Grande“ für ein italienisches Kind mit Namen Francesco.


Der Kragen des Bären

Vermutlich 1996 von Trude gemacht, nach einem Märchen das im Buch "Die Wolfsfrau" stand, in demselben Buch, wo "Vasalisa die Weise" drinnenstand, aus dem wir den zweiten Zeichentrickfilm gemacht haben.

In der Szene mit dem Bären, wo die Knochen im Leib summen, habe ich den Tango aus der Faust- Kantate von Schnittke „Es geschah“ verwendet und einen Satz aus Tischtchenkos fünfter Symphonie.


Davanti San Guido

Vermutlich 2000 lernt Trude Carduccis Gedicht „Davanti San Guido“ auswendig und, in das Gedicht verliebt, macht sie daraus ein Hauskino. Der Ton dazu ist einfach Volkers Stimme, der das Gedicht liest.


Die beiden Städte

Im Hauskinoepos „Die beiden Städte“ wird die Entstehungsgeschichte vom Land der Farne erzählt. Es handelt sich um zwei Hauskinos, eines von Maja, eines von mir, die wir 1999 unabhängig voneinander begonnen haben und dann miteinander fertig gemacht haben, da wir herausfanden, dass unsere beiden Geschichten einander ergänzen.


Bruna verde

Vermutlich 1999 von Trude gemalt ist "Bruna verde" eines der letzten Hauskinos, und es wurde ganz selten gezeigt. Die Geschichte ist in italienisch, und mit schamanisch unverständlichem, aber geheimnisvollen Inhalt.


Compi doc

Inspiriert an einem "Robotermärchen" vom Lem haben wir das Hauskino "Compi.doc" gemacht, um die Computerisierung oder sonst eine Computer- Neuerung in der Bibliothek von Sarnthein kreativ zu umrahmen. Maja bastelte mit mir die beiden Handpuppen des reichen und des armen Computers, die vor der Leinwand des Hauskinos interagierten. Trude hat für uns die Bilder des Hauskinos gemalt. Zu Beginn steht „Windows 99 präsentiert“ (das Happening fand 1999 statt) als die sarkastische Botschaft, dass Microsoft im Computerbusiness mit seinem großen Informatikmonopol genauso unmoralisch ist wie der Film: Sie gewinnen, weil sie größer und reicher sind.


Das Mädchen und das heilige Pferd

Vermutlich 1998 von Trude gemacht, zu einer bereits existierenden Märchen über Freundschaft.

In der Filmmusik kommt "a due" von Francesco Valdambrini vor.


Maja, die Eule und das Huhn

Mein Hauskino für Weihnachten 1997 soll mindestens so bedeutungsvoll werden wie das vorhergehende „Natalie im Land der Farne“. Ich bin mutig und schreibe den Titel, „Maja, die Eule und das Huhn“ gleich zu Beginn auf die Rolle. Im Oktober mache ich die ersten 17 Bilder des Hauskinos, ohne daran zu denken, wie die Handlung verlaufen soll. Als 17. Bild  ist das erste Bild aus dem 2. Teil bereits gezeichnet, spätestens jetzt muss die Geschichte gefunden werden.
Zuerst ordne ich mit Volker den Hauskinogestalten verschiedene Planeten zu, um dann das Horoskop für den Film zu stellen: Statt der Geschichte haben wir nun die komplette Deutung, was nicht besonders hilfreich ist.
Im November sind wir noch immer nicht weiter gekommen, da ich bis jetzt mit keiner Idee zufrieden war. Wir führen aus Verlegenheit Lilith ins Filmhoroskop ein: Sie heißt Olga und hat Maja, das Kind von Pema, geraubt. Die zornvolle Gottheit, von Pema im Kummer geschmiedet, erschreckt den Seiltänzer, der fällt in den Brunnen zum Geiger, welcher sich aus Liebeskummer um die Artistin Lioba hineingeworfen hat. Das ist ein Anfang.
Mit Volker lesen wir jetzt als Recherche 2 Grimm- Märchen: „Der goldene Vogel“ und „die goldene Gans“, Bösewichte werden eingeführt: Die Ragetimespieler tragen zur Verirrung der Puppenspieler nur noch bei, rauben ihnen die Uhr, ihr den Fotoapparat, und jetzt kann die Geschichte endlich zu Ende erfunden werden.


Oyfn Veg

Vermutlich 1996 macht Trude zum jiddischen Lied „Oyfn Veg“ das gleichnamige Hauskino, in Schwarz/Weiß.


Die vier Könige

Im Dezember 1992 macht mir Trude und ich für sie als Weihnachtsgeschenk ein Hauskino. Unabhängig voneinander haben wir beide die Idee der vier Könige. Deshalb nenne ich meinen Film „Das große Schloss“, Trude bleibt beim Titel „Die vier Könige“.

Zusammen mit meinem Hauskino „Seid erschütterbar“ bilden diese drei Hauskinos die Grundlage für mein Buch „Die vier Könige“.


Irsassarrisar

Im Jänner 1996 mach ich das Hauskino „Irsassarrisar“. Der Name ist, wie „Ulböböluböl“ aus zufälligen Lauten zusammengebastelt. Ich denke schon beim Machen des Hauskinos darüber nach, das gleichnamige Buch daraus zu machen.


Die Brücke in Kriterium

Zu meinem Geburtstag 1992 macht mir Trude das Hauskino "Die Brücke in Kriterium", eine selbst erfundene Geschichte, weil ich bereits existierende in Hauskinoform gebrachte Geschichten so gering schätze. Trude lässt Paolo Tomada im Kino vorkommen, als Klavierspieler, und das Hauskino hat gewisse Ähnlichkeit mit meinem "Seid erschütterbar" und wird in die Erzählung "Die vier Könige" integriert werden.


Die Geschichte vom Ei

Vermutlich 1991 von Trude gemacht, inspiriert von einem Mysterien- eine Frau- Theaterstück von Nesa Gschwend, das sie gesehen hat, vertont mit einer Kombination von beiden Synthesizern.


Iglu

1990 Sylvesterhauskino „Iglu“ mit Trude und Volker, Godele als FF- Reporterin und der Dalai Lama kommen vor.

Ich verwende den Film als Nebenhandlung im Roman „Natalie im Land der Farne".


Holelius Zwackelschlurf

1990 mache ich ein Hauskino, indem ich Lisls illustrierte Bibel als Vorlage hernehme. Ich nenne es „Die Entstehung und Verwandlung des scharfsinnigen Mysztransagiers Holelius Zwackelschlurf.“ Die Handlung habe ich nicht nach der Zeichnung der Bilder des ersten Teils erfunden, sondern gleichzeitig mit dem Zeichnen der Bilder, ich hätte es also damals als eine „natürliche“ Geschichte bezeichnet, nicht als eine „künstliche“. Ich verwende das Hauskino später fürs Theaterstück „Was hat die Lehrerin im Bach des Drachen gesehen?“


Drei gute Ratschläge

Trude macht 1989 fürs Kleinkunstfestival drei kurze Hauskinos: „Der indische Vogel“, „3 gute Ratschläge“, „Begegnung in Samarra“, ich mache „Eulen“ und „Spaziergang im Walde“. Wir wollen nämlich auch Hauskino zeigen können, die auch ohne unser privates Umfeld zu kennen verständlich sind.


Begegnung in Samarra

Trude macht 1989 fürs Kleinkunstfestival drei kurze Hauskinos: „Der indische Vogel“, „3 gute Ratschläge“, „Begegnung in Samarra“, ich mache „Eulen“ und „Spaziergang im Walde“. Wir wollen nämlich auch Hauskino zeigen können, die auch ohne unser privates Umfeld zu kennen verständlich sind.


Spaziergang im Walde

Trude macht 1989 fürs Kleinkunstfestival drei kurze Hauskinos: „Der indische Vogel“, „3 gute Ratschläge“, „Begegnung in Samarra“, ich mache „Eulen“ und „Spaziergang im Walde“. Wir wollen nämlich auch Hauskino zeigen können, die auch ohne unser privates Umfeld zu kennen verständlich sind.

„Spaziergang im Walde“ ist ein Blödelgedicht, im Film untergelegt mit Stücken von Pink Floyd, die ich im großen Synthesizer eingegeben habe.


Der indische Vogel

Trude macht 1989 fürs Kleinkunstfestival drei kurze Hauskinos: „Der indische Vogel“, „3 gute Ratschläge“, „Begegnung in Samarra“, ich mache „Eulen“ und „Spaziergang im Walde“. Wir wollen nämlich auch Hauskino zeigen können, die auch ohne unser privates Umfeld zu kennen verständlich sind.


Die zwei Parallelen

Trude macht 1989 fürs Kleinkunstfestival zwei kurze Hauskinos über Gedichte von Christian Morgenstern: „Die zwei Parallelen“ und „Vice versa“, damit wir auch Hauskinos zeigen können, die ohne unser privates Umfeld zu kennen verständlich sind.


Helden

1988 mache ich aus dem gleichnamigen Lied von Haimo Wissers Platte das kurze Hauskino „Helden“.


Vice versa

Trude macht 1989 fürs Kleinkunstfestival zwei kurze Hauskinos über Gedichte von Christian Morgenstern: „Die zwei Parallelen“ und „Vice versa“, damit wir auch Hauskinos zeigen können, die ohne unser privates Umfeld zu kennen verständlich sind.


Kino und Strudel

Was ist am Kino so lästig?

Man sitzt im Dunkeln, sieht auf die Leinwand. Dort bewegt sich was. Bewegung ist lästig, Dunkelheit auch. Gerade das Kino zeigt, wie lästig es ist, im Dunkeln zu sitzen und dass sich etwas bewegt.

Wie viel besser ist ein Mohnstrudel! Er bewegt sich nicht. Um ihn zu essen, muß man nicht im Dunkeln sitzen.

Man müßte das Kino verwandeln, daß es die lästigen Eigenschaften verliert. Das Kino sollte sich den Mohnstrudel als Vorbild nehmen.

Mohnstrudel und Kino sind verschiedene Dinge. Sie sind so verschieden, daß es nicht so einfach ist, die guten Eigenschaften des Mohnstrudels aufs Kino zu übertragen, ohne das Kino zu verfremden, daß man es nicht mehr als Kino erkennt. Kino sollte Kino bleiben, nur sollte es die guten Eigenschaften des Mohnstrudels dazubekommen.

Also, noch einmal: Im Kino sieht man bewegte Bilder, die schnell wechseln. Sobald man sie betrachten will, sind die Bilder schon wieder gewechselt worden, man beruhigt sich schwer. Das Kino selbst bewegt sich ja nicht, aber es ist dunkel, und so kann man die beruhigende Bewegungslosigkeit des Kinos selbst nicht sehen.

An der Kassa vom Kino kann man zwar allerlei Süßigkeiten kaufen, aber die muß man dann im dunklen Kino essen, wo man sie schlecht sehen kann. Das, was an der Kasse fast immer fehlt, ist der Mohnstrudel.

Nimmt man beim Mohnstrudel ganz viel Mohn, und läßt den Teig ganz dünn, so sieht man, wenn man ihn aufschneidet, innen eine dünne, helle Teigspirale, die durch den schwarzen Mohnkosmos verläuft und metaphysisch auf die spiralig-zyklische Struktur des Universums hinweist. Der goldige Schimmer des knusprig gebackenen Strudels außen verweist auf Transzendentales, und so wird ganz sinnfällig gezeigt, wie natürlich das Physikalisch-kosmische im Transzendental-ewigen eingebettet ist.

Aber der Mohnstrudel erzählt uns nichts Neues. Er schmeckt gut, aber wir müssen uns, wennschon, selbst was erzählen, wenn wir ihn essen. Ein guter Mohnstrudel ist bald aufgegessen. Es bleibt nur die Erinnerung, aber der Strudel selbst ist natürlich viel intensiver als jede Erinnerung.


Das Kino und der Mohnstrudel ergeben kombiniert ungeahnte Möglichkeiten, die sich allerdings sonst auch ergeben würden:

Lösung der Strudel- Kino- Frage: Das postapokalyptische Hauskino

Auf einer langen Papierrolle werden die Bilder eingeteilt, dann wird der Rand der Rolle bemalt: Schwarz mit regelmäßigen, weißen, quadratischen Löchern. Die Rolle sieht nachher aus wie ein überdimensionales Stück Film, damit jeder gleich sieht: Es ist jetzt keine Papierrolle mehr, sondern Kino. Mit bunten Farben werden die ersten Bilder gemalt, erst dann wird die Handlung ersonnen: Wie muss die Geschichte gehen, dass genau an dem Punkt genau dieses Bild notwendigerweise vorkommt? Wie muss sie ausgehen, damit alle vorgekommenen Details einen für den Schluß zwingenden Sinn ergeben? Wie geht die Geschichte aus?


Durch diese Erfindung hat das Kino endlich die guten Eigenschaften des Mohnstrudels bekommen, ohne aufzuhören, ein Kino zu sein: Es ist handgemacht, bewegt sich nicht, ist nicht im Finstern.

Trotzdem geht es weiter, hat eine Handlung, zeigt etwas.